Über die Herausforderung, Mikro- und Nanoplastik nachzuweisen
Nach ersten Startschwierigkeiten nahmen die beiden ihre Arbeit auf. Zunächst ging es darum, Methoden zu finden, mit denen sie Partikel von Mikro- und Nanoplastik in Pflanzen nachweisen können. Und es stellte sich die Frage, welchen Spross der heimischen Flora sie für ihre Analysen verwenden. Eine beliebige Grünpflanze von einem beliebigen Feld zu nehmen, kam für sie nicht infrage: „Für Außenstehende klingt das vielleicht einfach, so nach dem Motto: Man nimmt eine Pflanze und schaut unter dem Mikroskop, welche Partikel an Mikro- und Nanoplastik wir finden. Aber Plastik ist nicht gleich Plastik. Bei Autoreifen haben wir beispielsweise andere Plastikpartikel als bei einer Plastiktüte. Und die Partikel muss man unterschiedlich nachweisen. Hinzu kommen Umwelteinflüsse, die die Oberflächenbeschaffenheit verändern und so den Nachweis erschweren“, so der Biochemiker Dr. Harald Seitz. Darum entschieden sie sich, für ihre Versuche auf kultivierte und von der Umwelt möglichst unbeeinflusste Organismen zurückgreifen. Diese fanden sie auch direkt vor Ort, am Fraunhofer IZI-BB: die Algenstämme von Dr. Thomas Leya. Ihre Grundidee: die Algen mit Plastikpartikeln eines einzelnen Kunststoffs, wie etwa Polystyrol oder Polyethylen, vermengen und dann beobachten, wie diese die Fremdstoffe aufnehmen.
Wie Fluoreszenz-Markierungen Plastikpartikel zum Leuchten bringen und somit sichtbar machen
Mit den passenden Pflanzen und dem passenden Kunststoff als Basis blieb aber weiterhin die Frage nach der geeigneten Methode, um Mikro- und Nanoplastik nachzuweisen. Denn nach wie vor gab es hier einige Faktoren, die sie mitdenken mussten. „Es ist analytisch schon eine große Herausforderung. Denn Partikel von Mikro- und Nanoplastik haben bestimmte Eigenschaften, die auch andere Partikel haben können“, erklärt Prof‘in. Susanne Baldermann. Also begannen sie, verschiedene Methoden zu testen. Um die mikroskopisch-kleinen Kunststoffpartikel zu erkennen, hat sich beispielsweise bewährt, mit Markern zu arbeiten. In der Praxis sieht das ungefähr so aus: Die Forscher:innen erhalten von einer Firma Kunststoffe, die eine Fluoreszenz-Markierungen enthalten Diese vermengen sie mit den Nährlösungen, in denen die Algen und Pflanzen kultiviert werden. „Durch spezielles Licht können wir dann die Fluoreszenz-Markierung sichtbar machen. Vereinfacht gesagt: Wenn wir uns die Algen oder Pflanzen unter dem Mikroskop anschauen, sehen wir, vereinfacht gesagt, kleine Plastikmurmeln, die bunt leuchten“, so Dr. Seitz.
Die Konzentration von Mikroplastik nachweisen: „Leider geht es nicht ohne Zerstörungsprozesse“
Doch der Nachweis von Mikro- und Nanoplastikpartikeln ist nur ein kleiner Baustein in diesem komplexen Forschungswerk. Denn durch die Mikroskopie können sie die Partikel zwar nachweisen, aber nicht die Konzentration nachvollziehen. Zum aktuellen Stand (November 2021) gibt es nicht nur eine Methode, um dies nachzuweisen. Stattdessen kombinieren sie verschiedene Ansätze und Modelle, um den „Eintragsweg und die Quantität nachvollziehen so können“, wie es fachlich korrekt heißt. Um die Konzentration nachzuweisen, nutzen sie beispielsweise einen Detektor: „Ein spezialisiertes Gerät kann die Konzentration der Kunststoffe erfassen. Wir können dabei konkret festlegen, dass das Gerät beispielsweise Polystyrol oder Polyethylen erfasst. Das funktioniert aber nur mit Stoffen im gasförmigen Zustand. Wir müssen also die Alge oder Pflanze mit den Plastikpartikeln erhitzen, wodurch sich die Kunststoffe zersetzen. Aber auch diese Methode hat ihre Nachteile: „Leider geht es nicht ohne Zerstörungsprozesse. Das ist schade, weil wir dann nicht alle Informationen erhalten, die wir gerne hätten. Dazu gehört beispielsweise die Frage, welche Auswirkungen die Plastikpartikel auf die DNA und RNA der Pflanze haben. Verändern sich beispielsweise die Stoffwechselprozesse? Verlangsamen sich die Teilungsvorgänge?“, so Dr. Seitz.
Plastikfreies Trinkwasser – schon bald möglich?
Es gibt also noch viel zu forschen für Dr. Seitz vom Fraunhofer IZI-BB und Prof‘in. Baldermann vom IGZ. Wenn man so will, steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. Aber immerhin arbeiten die beiden daran, dass das Kind langsam zu laufen beginnt. Wann der Traum vom plastikfreien Gemüse oder Trinkwasser wahr wird, ist allerdings noch eine Frage der Zeit – und eine Frage des Willens, wie viel Industrie und Gemeinden hier investieren wollen: „Wenn Politik und Wirtschaft mehr Anstrengungen Unternehmen und unsere Forschung entsprechend unterstützen, wäre ein Zeitraum von fünf Jahren realistisch, um zum Beispiel Mikroplastik in Wasseraufbereitungsanlagen nachzuweisen und zu lösen“, so Dr. Seitz. Wesentlich schwieriger wird es beim Schwerpunkt von Frau Prof’in Baldermann, Plastikprodukte aus Nahrungsmitteln zu entfernen. „Leider sind hier die Umstände etwas komplexer“, erläutert Prof‘in. Baldermann. „Pflanzen für die Lebensmittelindustrie werden beispielsweise in Gewächshäusern kultiviert. Sie werden mit Folien abgedeckt, um schnell zu wachsen. Dadurch hat man weitere Plastikeinträge“, so die Chemikerin. Darum wird es hier vermutlich zehn Jahre und mehr dauern, bis ein Label „Plastikfrei“ realistisch wäre.
EMINA – ein Vorzeigebeispiel für die Zusammenarbeit in der Metropolregion Berlin-Brandenburg
Dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden so gut funktioniert, ist durchaus erstaunlich. Denn Dr. Seitz arbeitet am Fraunhofer IZI-BB im Potsdam Science Park. Prof‘in. Baldermann forscht am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) in Großbeeren, südlich von Berlin. Obwohl die beiden Standorte rund 30 km voneinander entfernt sind, bemühen sie sich um regelmäßigen Austausch. Beide haben jeweils drei Mitarbeiter:innen, die viel im Labor arbeiten – vor allem hier sind kurze Kommunikationswege unabdingbar. Beide profitieren von den sehr guten Forschungsbedingungen an ihren Standorten. Dr. Seitz: „Das Arbeiten im Potsdam Science Park hat viele Vorteile. Mit der Universität, den zwei Max-Planck- und den zwei Fraunhofer-Instituten sind wir im Bereich der Naturwissenschaften hervorragend aufgestellt. Aber es sind eben auch andere Kooperationen mit den vielen Forschungseinrichtungen in der Metropolregion Berlin-Brandenburg möglich“. Seit 2014 arbeitet er hier am Standort und zieht auch beim Wandel ein positives Fazit: „Der Campus hat sich sehr gut entwickelt“, so Dr. Seitz. „Der Bahnhof wurde ausgebaut, es gibt Einkaufsmöglichkeiten und eine Kindertageseinrichtung. Durch das Wachstum kommt man auch in Kontakt mit anderen Instituten und kann gut und schnell zusammenarbeiten.“