Dr. Oren Moscovitz ist wohl der einzige Wissenschaftler im Potsdam Science Park, der einen, dürfte man ihn einen Tag lang bei seiner Arbeit begleiten, nicht zuerst in sein Büro oder ein Labor führen würde, sondern auf eine brandenburgische Koppel. Auf dieser Koppel träfe man: Eine überschaubare, aber äußert agile Herde neugieriger Alpakas. Dabei hat seine Arbeit mit Tieren im Grunde wenig zu tun. Moscovitz ist kein Zoologe. Er arbeitet als Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) – als Glykobiologe.
Der „Zuckercode“ auf unseren Zellen
Glykobiologie beschäftigt sich im weitesten Sinne mit der Struktur, Biosynthese und Funktion von langkettigen und komplexen Zucker-Strukturen, sogenannten „Glykanen“. Glykane beeinflussen ein breites Spektrum biologischer Prozesse, darum sind sie aus medizinischer Sicht interessant. Moscovitz versteht die Glykobiologie als klassisches Querschnitts-Feld: „Hier begegnen sich Biologen, Chemiker und Mediziner.“
In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit sogenannten gezielten Glykan-Therapeutika. Das sind Behandlungsmethoden, die auf den „Zuckermantel“ von beispielsweise Krebszellen einwirken sollen. Jede Zelle unseres Körpers ist von einem dichten und komplexen Zuckerpelz, der „Glykokalyx“ umgeben. Die Zuckermoleküle der Glykokalix ragen wie kleine Antennen aus der Zelloberfläche heraus. Ihre Funktion ist es, Informationen zwischen der Zelle und ihrer Umgebung weiterzuleiten. Gleichzeitig sind sie aber auch eine Andockstelle für unliebsame Besucher wie Parasiten, Bakterien und Viren. Doch auch Krebszellen nutzen ihren Zuckermantel, um sich zu vermehren, unser Immunsystem zu unterlaufen und uns so zu schaden. Für Glykobiologen gehört der „Glykan-Code“, also der Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion spezifischer Zucker-Formationen auf der Zelloberfläche deshalb zu den kompliziertesten Sprachen, die auf unserer Zellmembran kodiert ist. „Viele der in diesen Glykan-Strukturen versteckten Informationen haben wir noch nicht ganz verstanden.“, erklärt Moscovitz: „Ein Großteil muss noch entschlüsselt werden.“