Meistens erhält Cliff Janiszewski von den Wissenschaftler:innen individuelle Zeichnungen, die ihm möglichst genau darstellen, welche Art der Apparatur man sich vorstellt. Er deutet auf eine Skizze, die an den Physikunterricht erinnert: „Das hier zeigt einen Blasenzähler. Das ist ein Aufsatz, hier ein doppelwandiges Gefäß für die Kühlung, dann will man hier von der Seite noch eine Fritte eingeschmolzen haben“. Fritten, das sind Filterplatten, die eine bestimmte Durchlässigkeit und Porosität haben, „das muss man sich vorstellen wie einen Kaffeefilter“. Nach den individuellen Wünschen der Wissenschaftler:innen am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung schmilzt er dann die gewünschten Glasapparaturen aus halbfertigen Verbindungen wie Glasrohren, meist von 1,20 m Länge und einem Durchmesser von 2 bis 120 mm, Kegeln oder eben Fritten.
Mit Feuer und Fingerspitzengefühl entstehen hochspezialisierte Glasapparaturen
Tagtäglich fertigt Janiszewski in seiner Institutswerkstatt im Potsdam Science Park hochspezialisierte Glasapparate, die für Experimente des MPIKG genutzt werden: echte Unikate, die es sonst nicht zu kaufen gibt. Als Rohstoff nutzt er dazu standardisierte Rohlinge von speziellen Glashändlern für Laborbedarf. Dabei handelt es sich um Glasröhren in allen möglichen Größen und Formen, schimmernde Glasgebilde, -kugeln und -zylinder. Das gleichmäßige und stete Drehen des Glases hinter der Flamme müsse man lange üben. In den ersten zwei Tagen seiner Lehre etwa hätten sie nur mit dem Bleistift drehen dürfen, die Flamme sei erst einmal ausgeblieben, erinnert sich der Glasbläser. Selbst wenn man mal drei bis vier Wochen im Urlaub sei, müsse man in den ersten Tagen danach erst wieder „die Leichtigkeit in den Fingern kriegen“, so Janiszewski.
Seine kleine Glasbläserei ist in Kaltbearbeitung und Heißbearbeitung unterteilt. Der Arbeitstisch ist bestückt mit einem Zenitbrenner, dessen Flamme bis zu 2000 Grad °C heiß wird und punktuell eingestellt werden kann. Gegenüber steht eine Glasbläserdrehmaschine, deren Einfassungen sich selbst drehen können. Die habe er erst seit drei Jahren, erzählt Janiszewski, und sie sei eine echte Erleichterung, denn sie drehe das Glas für ihn, sodass er die Hände für andere Werkzeuge frei habe. Die Arbeit mit dem besonderen Material setze dabei einiges an Fingerspitzengefühl voraus: „Es macht Spaß, damit zu arbeiten, man muss sich aber wirklich konzentrieren, sonst wird es nichts!“, erklärt Janiszewski.
Zu 99 % wird Glas verarbeitet – mit ein paar speziellen Ausnahmen
Diese Kreativität und Abwechslung, die seine Arbeit am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) im Potsdam Science Park mit sich bringe und dass er damit der Grundlagenforschung dienen könne, schätze Janiszewski besonders: Mal fertige er Kleinserien von fünf bis zehn Stück, aber auch viele Einzelstücke und Reparaturen. Mal arbeite er in der Kaltbearbeitung, wo er bohre, schlitze, schneide, schleife, poliere und graviere. Mal füge er in der Heißbearbeitung Glasapparturen zusammen.
Weil sich durch die Gefügeveränderung, die Wärmemenge, die dort hereingebracht wird, und die sich veränderte Wandstärke die Spannungen im Glas verändern, müssen die Apparaturen zum Schluss entspannt werden. Boroselikatglas etwa werde dazu auf den unteren Transformationspunkt bei 530 Grad °C erhitzt, wodurch sich zwar die Oberfläche nicht verändert, aber die Spannung im Glas. Um die Spannung in einem Glas auch optisch zu erfassen, hat Janiszewski ein besonderes Gerät in seiner Werkstatt stehen. Durch den Poralisator erkennt man in einem unter Spannung stehenden Glas lilafarbene, grüne und gelbe Kreise und Ringe. Hübsch sieht das aus, ein wenig wie die Reflexionen von Sonnenlicht.
Zu 99 % verarbeitet Janiszewski in seiner Werkstatt Boroselikatglas, ein spezielles Laborglas, das Säure- und Basenbeständigkeit hat. Auch das sehr hochwertige Quarzglas kommt ab und an zum Einsatz, ganz selten nutzt er andere Materialien wie Keramik. Werkzeug wie Diamantschleif- oder Schneidscheiben sind zwar kostenintensiv, aber ein Muss in der Glasverarbeitung, da das Material so hart ist. In 23 Jahren am Institut aber bekommt der wissenschaftliche Glasbläser auch immer Mal andere Materialien zu Gesicht; einmal sogar einen fossilen Mammutstoßzahn von 1,5 m Länge. Die Knochenstruktur sollte untersucht werden, damit sie in der Abteilung Biomaterialien von Prof. Peter Fratzl künstlich nachgeahmt werden kann. Janiszewski war einer der wenigen, der mit seinem Diamantwerkzeug den extrem harten, da versteinerten Mammutstoßzahn zerschneiden konnte. Und darauf ist er schon ein bisschen stolz.