Game Changer – Dürfen wir vorstellen? Mike Richardson, Deep Technology-Entrepreneur

Für unsere Interviewserie “Game Changers” haben wir den Deep Technology-Entrepreneur und Mike Richardson getroffen, der mit seiner Firma Photonic Insights  im Startup Space des GO:IN im Potsdam Science Park spektrographische Sensoren entwickelt. Erfahren Sie jetzt, was Richardson antreibt und was er anderen Gründer*innen rät.

Wer sind Sie und an welcher Zukunft arbeiten Sie?

Hallo, ich bin Gründer von Photonic Insights, Deep-Technology-Unternehmer und Generalist. Ich habe ein breites Interesse an ganz verschiedenen Bereichen – von Spektroskopie, über Maschinelles Lernen bis hin zu Quantenphysik. Das übergreifende Themengebiet ist für mich jedoch die Photonik. Wir entwickeln kostengünstige spektrographische Sensoren, um eine Vielzahl von Problemen in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen und oder im Hinblick auf die Wasserqualität zu lösen.

Unsere Zukunftsvision ist folgende: Stellen Sie sich so etwas wie ein planetarisches Nervensystem vor, eine weitere Ebene der Sensorfähigkeit, die mit wiederum anderen Sensoren vernetzt ist, die dazu eingesetzt werden, um in Echtzeit den Zustand und die Zusammensetzung von Materialien zu bestimmen. Denkbar ist dies für die Lebensmittelfabrik, den Bauernhof oder das Entwässerungssystem, also für jeden Ort, an dem wir die Erzeugung des spektralen Messwerts geolokalisieren können.

Für verschiedene Kontexte setzen wir breit verteilte Spektralsensoren ein, also überall dort, wo durch die Vereinheitlichung verschiedener Messwerte Erkenntnisse aus Daten gewonnen werden. Das kann man sich grob als verschiedene Skalen vorstellen, die als Renormierungsfunktion dargestellt werden. Sie können verschiedene spektrale Messwerte zu einer derartigen Block-Spin-Renormalisierungs-Visualisierung hinzufügen, um zu bestimmen, auf welcher Skala welcher Genauigkeitsgrad korrekt ist.

Hier trifft maschinelles Lernen auf die spektrale Welt. Auf diese Weise können wir scheinbar nicht zusammenhängende Spektren skalieren und besser verstehen. Mit Spektrometern sind wir in der Lage, Materialien mit speziell abgestimmtem Licht zu beleuchten und zu beobachten, wie die Moleküle dann auf diese Beleuchtung reagieren. Stellen Sie sich das etwa so vor: Mit dem richtigen Licht hat jedes Molekül einen ganz individuellen Tanz, und wir nutzen dann unsere Werkzeuge, um die vorhandenen Moleküle anhand des induzierten Tanzes zu identifizieren. Diese Sensorfähigkeit wollen wir auf der ganzen Welt dazu nutzen, die Bewegungen von Molekülen zu beobachten. Auf diese Weise sind wir in der Lage, in Echtzeit zu verstehen, was mit den Materialien in unserer Umgebung geschieht.

Sie kamen im Jahr 2020 in den Wissenschaftspark Potsdam – wie hat sich Ihr Startup seitdem entwickelt?

Wir feiern inzwischen unser einjähriges Jubiläum im Potsdam Science Park. Eingezogen sind wir in den Startup Space im November 2019. Seitdem wir hier in Potsdam sind, hat sich vieles zum Positiven verändert. Unser Unternehmen ist inzwischen auf ein Team von sechs Personen angewachsen und wir haben unser Unternehmen gerade von einer UG zu einer GmbH aufgewertet. Außerdem haben wir zwei weitere Forschungsprojekte gestartet, die daraus entstanden sind, dass wir neue Kontakte knüpfen konnten, weil wir im Potsdam Science Park ansässig sind.

Haben sich Ihre Schwerpunkte und Ihre Interessen mit der Erfahrung verändert und warum?

Da ich einen Software-Hintergrund habe, verlagerte sich mein Interesse mit der Zeit ins Physische, weil ich einfach Lust dazu hatte, an realen Objekten zu arbeiten. Ich hatte diesen Schaffensdrang. Der digitale Schöpfungsakt im Cyberspace reichte da nicht aus, meinen Tatendrang zu befriedigen. Das führte schließlich dazu, dass ich damit begann, Hardware zu entwickeln – zunächst als Hobby und gewissermaßen als persönliche Therapie, weil ich eine physische Manifestation all des Codes wollte, den ich zu der Zeit schrieb.

Meine ersten Projekte standen im Zusammenhang mit Hochleistungsraketen. Ich stellte aktive Lenksysteme her, um die Bergung von Hochleistungsraketen zu unterstützen. Für eine deutsche Firma entwickelte und lieferte ich zwei Generationen von IP-Kameras.

Einen Wechsel zur Spektroskopie gab es zunächst nicht, weil ich bereits seit über 10 Jahren mit dieser Technologie gearbeitet hatte. Mit dem Preis änderte sich das. In dieser Zeit habe ich gesehen, dass die Preise für spektrographische Instrumente deutlich sanken. Was Instrumente leisteten, die ich 2009 einsetzte und die damals 150.000 Euro kosteten, kann jetzt ein Gerät das 2.000 Euro kostet ohne Probleme – und dieser Trend setzt sich fort. Mit Photonic Insights arbeiten wir am preisgünstigen Ende der Entwicklungen. Ich kann nützliche Hardware-Instrumente mit spektralen Fähigkeiten zu einem Preis entwickeln, der durchaus attraktiv ist.

Was brauchen wissenschaftsbezogene Unternehmer*innen, um erfolgreich an den Start zu gehen?

Das Wichtigste ist die Finanzierung. Die meisten von uns werden jedoch nicht mit einer angemessenen Finanzierung beginnen. Lassen Sie mich das also ändern: Beharrlichkeit und die Fähigkeit, den eigenen Kurz schnell zu verändern. Sie müssen hartnäckig sein, denn Ihre Idee wird, weil sie neu ist, im Allgemeinen nicht von der breiten Masse akzeptiert werden. Selbst innerhalb Ihrer wissenschaftlichen Disziplin mag Ihre Idee vielen ketzerisch erscheinen. Das ist aber eigentlich ein gutes Zeichen und zeigt, dass Sie genau auf dem richtigen Weg sind, etwas Neues zu machen. Sie müssen sich also darauf einstellen, dass die meisten Menschen „Nein“ zu Ihrem Vorschlag sagen – egal wie gut artikuliert dieser auch sein mag.

Es kann sein, dass das, woran Sie zu Beginn Ihrer Reise arbeiten, nicht das ist, woran Sie sechs Monate nach Ihrem Start arbeiten. Es ist darum wesentlich, dass Sie in der Lage sind flexibel zu reagieren und wichtige Kursänderungen zum richtigen Zeitpunkt vorzunehmen. Das bedeutet unter Umständen dann auch, dass Sie Ihren technischen Schwerpunkt anpassen – solange alles mit Ihrer Vision übereinstimmt. Sie müssen nicht gleich Ihre wissenschaftliche Forschung aufgeben – aber eventuell müssen Sie neue Wege finden, um Ihre Vision umzusetzen.

Welchen Rat würden Sie Gründer*innen in Potsdam und in der Hauptstadtregion geben?

Ich rate dazu, sich voll und ganz auf die in der Region verfügbaren Ressourcen einzulassen.  Mein kleines Unternehmen wächst durch die Unterstützung des Potsdam Science Park, der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) und anderer Einrichtungen in Potsdam/Brandenburg. Nehmen Sie sich die Zeit, sich in verschiedenen Kompetenzzentren zu engagieren und Ihr Netzwerk aufzubauen. Wenn ich das sage, dann meine ich das nicht auf eine kühl-kalkulierte Art und Weise. Ich meine, lernen Sie die Menschen hier in Potsdam kennen, schließen Sie Freundschaften, finden Sie Kollegen und Kolleginnen, die eine ähnliche Vision haben wie Sie. Und: Teilen Sie, teilen Sie, teilen Sie und finden Sie immer Wege, Ihre Kollegen zu unterstützen, besonders im Startup Space.

Und auch: Nutzen Sie die Gelegenheit in Potsdam, sich mit Technologien oder anderen Disziplinen zu beschäftigen, mit denen Sie zuvor nichts zu tun hatten. Gute Möglichkeiten bietet hier in Potsdam Zum Beispiel der MediaTech Hub.  Selbst, wenn Sie in Bereich der Wissenschaft und Forschung tätig sind, lohnt es sich, hier an einer Führung durch die Unternehmen und Einrichtungen teilzunehmen. Es ist interessant zu erfahren, welche Medientechnologien in Potsdam entwickelt werden, und wie Sie diese womöglich selbst nutzen können, um die Bekanntheit Ihres Deep-Technoloy-Unternehmens zu erhöhen.

Foto: Asia Berlin Summit 2020 in Berlin, Foto: Stefan Wieland 2020

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