Wie sagt man eigentlich „stay healthy“ auf Deutsch?
Der Potsdam Science Park in Potsdam-Golm ist als größter seiner Art nicht mehr von der Karte der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung im Land Brandenburg wegzudenken. Doch hier wird nicht nur im Bereich Gravitationsphysik oder Pflanzenphysiologie gearbeitet, sondern auch Sprachunterricht gegeben. Dies ist ein kleiner Bericht über die Sprachschule im Herzen des Science Parks, von dem Unterricht, der hier gegeben wird, und von ihren Schülern, die hier Deutsch und Englisch lernen. Und es ist ein Bericht über die Veränderungen, die nun unser aller Leben betreffen und auch vor unseren Sprachkursen nicht Halt machen.
Beginnen wir mit einem Blick zurück auf die Tage, die uns heute so seltsam entfernt erscheinen, auch wenn sie bis vor kurzem einfach unser Alltag waren: Im Herzen des Science Parks Potsdam gibt es im GO:IN I eine Sprachschule. Mitarbeiter der zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen lernen hier Englisch, denn das ist die Sprache, mit der man sich in diesem Teil von Golm mit seinen Bewohnern und Wissenschaftlern aus aller Herren Länder verständigen kann – und auch muss. Unabdingbar ist die lingua franca unserer Zeit für das Gelingen und Gedeihen dieses Ortes und so auch für all jene, die hier innerhalb des wissenschaftlichen Betriebs und der inzwischen zahlreichen damit verbundenen Unternehmen arbeiten und dabei helfen, den Science Park am Laufen und Wachsen zu halten.
Da aber der Science Park der Science Park ist und es noch eine Welt außerhalb der Institute und Forschungseinrichtungen gibt, kann man auf dieser Sprachschule auch Deutsch lernen. Hier arbeite ich zusammen mit anderen Deutschlehrern und ich gebe zu: Es ist eine sehr dankbare Arbeit. Die Schüler, die wir hier in kleinen Gruppen meist zweimal wöchentlich unterrichten, sind in der Regel Wissenschaftler aus aller Welt. Viele von ihnen leben auch in Golm oder Potsdam. Für ihre Arbeit brauchen sie die deutsche Sprache vielleicht nicht unbedingt, aber Golm ist, auch wenn es immer weiter wächst, klein und es gibt auch ein Leben jenseits der Institute und Labore, ein ganz alltägliches Leben mit Fahrplänen, Supermärkten, Ämtern und Formularen und vielen anderen Dinge, die das Leben ganz selbstverständlich ausmachen. Wer einmal für eine längere Zeit in einem anderen Land mit einer fremden Sprache gelebt hat, der hat wohl die Erfahrung gemacht, dass man dort mit Englisch vielleicht „überleben“ aber das Land, seine Kultur und seine Bewohner kaum „erleben“ kann. Und wer weiß, vielleicht möchte der ein oder andere auch für längere Zeit in Deutschland leben und arbeiten.
Immer wieder stelle ich fest, dass meine Arbeit dankbar ist. Die Sprachschüler wollen die Sprache gerne lernen – sie müssen es nicht – und in den Sprachkursen lerne auch ich ständig Neues: Meine Schüler sind meist Naturwissenschaftler – Biologen und Biologinnen, Chemiker und Chemikerinnen oder Physikerinnen und Physiker. Für mich, der aus der Geistes- und Sprachwissenschaft kommt, ergibt sich dadurch eine Vielzahl ganz wunderbarer Möglichkeiten, meinen eigenen Horizont zu erweitern. Wenn ich zum Beispiel einmal eine Frage zur Einsteinschen Vorstellung der Raumzeit habe, weiß ich, wen ich fragen muss!
Dankbar ist diese Arbeit aber auch, weil jeder vom Gegenüber viel über die jeweiligen Heimatländer lernen kann. Welche Sprachen spricht man dort, wie sieht der Alltag der Menschen aus, welche Feiertage gibt es und warum? Und was könnte besser dafür geeignet sein, sich darüber auszutauschen als der Sprachunterricht! Hier sind so oft gehörte Fragen wie „Wie heißen Sie?“, „Was ist Ihre Muttersprache?“ oder „Was sind Sie von Beruf?“ mehr als nur Sprachübungen für die allerersten Unterrichtsstunden. Sie sind vielmehr der Beginn eines Austauschs und eines Kennenlernens, das sich mit dem Anwachsen und dem Ausbau der sprachlichen Fähigkeiten immer weiter vertieft.
Wenn das Thema „Essen und Trinken“ im Unterricht besprochen wird und es Hausaufgabe war, ein Kochrezept aus dem Heimatland aufzuschreiben und vorzustellen, scherze ich oft, ich könne ein Kochbuch mit dem Titel „In 80 Speisen um die Welt“ veröffentlichen, vorgebend ich sei ein in allen Ecken und Winkeln dieser Welt bewanderter Feinschmecker, der die besten Rezepte von seinen Reisen mitgebracht hätte.
Natürlich vermitteln wir in unseren Kursen auch Grammatik und Phonetik, Satzbaulehre und Wortschatz. Das Herz unserer gemeinsamen Arbeit ist aber immer das Gespräch von Mensch zu Mensch. Und gerade hier hat uns das Coronavirus gezwungen innezuhalten, ja geradezu eine Vollbremsung aus voller Fahrt hinzulegen. Natürlich können wir vor dem Hintergrund der Lage und den inzwischen ergriffenen Maßnahmen den Unterricht nicht mehr ohne weiteres fortführen. Nach einem Augenblick der „Ratlosigkeit“, wie ihn wohl die meisten erlebt haben, entschlossen wir uns dann, weiterzumachen. Schon nach etwa einer Woche konnten wir die Kurse mit der Hilfe und Unterstützung aller Beteiligten wieder aufnehmen. Dafür betreten wir nun den digitalen Raum: Auf einer Plattform für Videokonferenzen treffen wir uns nun im Netz und kommen wieder ins Gespräch, ohne dabei die eigenen vier Wände verlassen zu müssen. Wir können wieder lernen und lehren, uns unterhalten und uns in die Augen und manchmal auch in die Küchen und Wohnzimmer schauen. Der Unterricht geht weiter und es tut gut, sich für anderthalb Stunden mit etwas anderem zu beschäftigen, die Aufmerksamkeit auf etwas zu richten, dass nichts mit Infektionsraten, Ausgangsbeschränkungen und Ungewissheit zu tun hat.
Es kehrt eine Art Normalität ein, eine Regelmäßigkeit im Tagesablauf, der so durcheinandergewirbelt wurde. Wir passen uns an, so gut es eben geht. Wir lernen nicht nur Deutsch, sondern auch wie wir mit einer solchen Lage umgehen und das Beste daraus machen können. Ich denke und hoffe, dass unsere Kurse auch unseren Schülerinnen und Schülern, den Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, eine Hilfe sind. Denn für sie ist es in vielerlei Hinsicht schwerer als für uns: Fern ihrem Zuhause, der Familie und den Freunden sind sie hier bei uns, manche erst seit wenigen Monaten. Auch ihre Heimatländer sind vom Coronavirus betroffen, in einigen wütet es mit dramatischen Folgen und das Ausmaß können wir heute noch gar nicht richtig abschätzen.
Es ist gut, dass wir weitermachen, dass wir dabei neue Möglichkeiten der Lehrens und Lernens entdecken und uns dem Ganzen auf unsere Weise stellen. Aber wenn ich ehrlich sein soll: Ich freue mich auf den Tag, an dem wir uns wieder im Kursraum im GO:IN Golm Innovationszentrum treffen, einander gegenübersitzen und unseren ganz alltäglichen Unterricht erleben können – von Mensch zu Mensch.
Bis dahin: Bleiben Sie gesund!
Text: Andreas Lipinske