3 Fragen an kez.biosolutions: „eine Revolution in der Grundlagenforschung“ mit optimierten Antibiotika aus Naturstoffen gegen resistente Keime
Resistente Keime werden zu einem ernstzunehmenden Problem. Weltweit sind 2019 mehr Menschen an resistenten Keimen gestorben als an HIV und Malaria zusammen. Das Startup kez.biosolutions GmbH entwickelt ein revolutionäres Verfahren, um aus Naturstoffen wie Zuckerrüben mit Substraten völlig neue, optimierte Wirkstoffe aus dem Bioreaktor zu entwickeln. Im Interview spricht kez.biosolutions-Gründer Dr. Alexander Rittner über die einzigartige Plattformtechnologie, die aus zehn Jahren Grundlagenforschung entstanden ist, und über die Entwicklungen, die das junge Unternehmen im Potsdam Science Park plant.
Herr Dr. Rittner, Ihr Unternehmen kez.biosolutions verspricht Wirkstoffe aus dem Bioreaktor und Anwendungen gegen resistente Keime. Was genau ist neu an Ihrem Ansatz?
Basierend auf meiner Doktorarbeit habe ich in den letzten Jahren in Frankfurt am Main als Post Doc ein Projekt geleitet, bei dem es darum ging, Polyketide zu fluorieren und diese Technologie zu entwickeln. Bei Polyketiden handelt es sich um Naturstoffe: sie werden von Enzymen in Zellen hergestellt, beispielsweise in Bakterien oder Hefen. Es sind Stoffe, die Zellen am Wachstum hindern, das können etwa andere Bakterien, Pilze oder Parasiten sein, aber auch z. B. Krebszellen. Rund 10.000 Polyketide sind bekannt, aus denen unter anderem Naturstoffmedikamente wie Antibiotika, Immunsuppressiva oder Krebsmittel hergestellt werden. Das Feld ist also sehr breit. Wir entwickeln auf Basis dieses Ansatzes eine Plattformtechnologie mit dem Anspruch, dass diese in allen mikrobiellen Produktionsstämmen funktioniert. Dabei arbeiten wir mit einem Verfahren, mit dem wir Polyketide mit Fluor chemisch verändern und sie so für die Anwendung im menschlichen Körper optimieren. Das Verfahren hat enormes Potenzial, beispielsweise Antibiotikaresistenzen überwinden zu können. Wir kombinieren hier erstmals zwei Welten: die Stärke der Natur, effizient komplexe Moleküle produzieren zu können, und modernste wissenschaftliche Methoden aus der medizinischen und der synthetischen Chemie. Wir etablieren derzeit unsere Technologie, konnten aber in einer Pilotstudie schon zeigen, dass sie funktioniert. Die Forschungsergebnisse sind eine Revolution in der Grundlagenforschung – im Juli 2022 haben wir in Nature Chemistry publiziert.
Wie genau schaffen Sie es damit, dass Antibiotika auch gegen resistente Keime wirken?
Antibiotika gegen resistente Keime sind tatsächlich ein Anwendungsgebiet unserer Technologie. Resistenzen gegen Medikamente bilden sich mit der Zeit aus, die Bakterien oder Parasiten gewöhnen sich an die Wirkstoffe und können darauf reagieren. Wenn man den Wirkstoff dann gezielt verändert, muss sich das Bakterium oder der Parasit erst einmal wieder anpassen – bis dahin ist die Resistenz überwunden. Genau hier setzt unsere Plattformtechnologie an: sie erlaubt diese gesteuerte, gezielte Anpassung des Moleküls, in unserem Fall des Polyketids. Wir produzieren diese sogenannten Polyketid-Derivate mithilfe von Bakterien und sehr günstigen Rohstoffen wie Zuckerrüben oder Sojaproteinen. Im Bioreaktor fügen wir dann unsere Substrate hinzu. Diese werden von den Bakterienzellen dann verwendet, um an definierten Stellen im Molekül bestimmte Funktionen zu erzeugen, zum Beispiel Fluor einzubringen. Grundsätzlich lassen sich Polyketid-Derivate zumindest theoretisch auch totalsynthetisch herstellen. Das ist aber alles andere als trivial und sehr teuer. Wir können die Derivate schneller und günstiger produzieren. Und: mit der Zeit wächst unsere Wirkstoffbibliothek, die kann man dann auf verbesserte Eigenschaften oder gegen neue Erreger durchsuchen.
Was treibt Sie als Wissenschaftler und Unternehmer an?
Neues zu schaffen, das treibt mich enorm an. Wir erschaffen Moleküle, die es noch nie gegeben hat, und das finde ich wahnsinnig spannend. Es ist außerdem sehr erfüllend, dass die eigene Forschung nach zehn Jahren der Grundlagenforschung eine praktische Anwendung erfährt. Wir haben so viel Zeit und Mühe eingebracht, für mich muss am Schluss etwas dabei herauskommen: eben neue Wirkstoffe, um das Leben zu verbessern. Im November 2021 haben wir – mein Geschäftspartner und Freund aus der Schulzeit Jan Degen und ich – deshalb beschlossen, uns selbstständig zu machen. Wir möchten die Technologie, von der wir wissen, dass sie theoretisch möglich ist, in die Praxis und vor allem in die Zelle bringen, das ist das Wesentliche. Vom ersten Gespräch bis zur Gründung waren es dann gerade einmal acht Wochen. Im Januar 2022 sind wir ins GO:IN1 eingezogen und betreiben seit April 2022 im Potsdam Science Park unser Labor. Durch das dichte akademische Potenzial vor Ort und die Nähe zu anderen Institutionen und Unternehmen der Metropolregion Berlin-Brandenburg sind wir hier ideal aufgestellt. Wir wollen so schnell wie möglich mit Forschung und Entwicklung starten: Seit Anfang November sind wir ein Team von drei Personen. Mein ehemaliger Kollege ist schon zu uns stoßen, er ist unser erster Mitarbeiter. Im nächsten Jahr werden wir uns um Mikrobiologen und Werkstudierende erweitern, im Kernteam wollen wir dann auf fünf bis zehn Leute wachsen. Mit dem Potsdam Science Park als Hauptstandort sehen wir uns sehr gut aufgestellt um unsere Plattformtechnologie in Zukunft als Schlüsseltechnologie für viele Anwendungsbereiche anbieten zu können.
Herr Dr. Rittner, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Dieser Blog und die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert.
Bildnachweis: Dr. Mirko Joppe, Dr. Alexander Rittner, Jan Degen © kez.biosolutions GmbH