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Potsdam Science Park-Standortbotschafter Jan Degen im Gespräch mit kez.biosolutions-Co-Founder Dr. Alexander Rittner
Potsdam Science Park-Standortbotschafter Jan Degen im Gespräch mit kez.biosolutions-Co-Founder Dr. Alexander Rittner ©Standortmanagement Golm GmbH/Adam Sevens

»Die Bedingungen für Startups in Brandenburg sind ideal« – Interview mit Standortbotschafter Jan Degen

Pflanzen und Mikroorganismen haben im Laufe der Evolution viele Wirkstoffe hervorgebracht, die auch dem Menschen nützen könnten – etwa im Kampf gegen Krebs oder Antibiotika-Resistenzen. Das Startup kez.biosolutions im Potsdam Science Park hat einen Weg gefunden, neue Varianten dieser Naturstoffe herzustellen und so zu optimieren, dass sie für die Entwicklung der nächsten Generation von Arzneimitteln bereitstehen. Mitgründer Jan Degen setzt sich als Standortbotschafter für den Potsdam Science Park ein.

Der technologische Durchbruch kam keine zwei Jahre nach der Firmengründung. »Kurz vor Weihnachten hielten wir unsere ersten neuen Moleküle in den Händen«, sagt Jan Degen, einer der beiden Gründer des Potsdamer Startups kez.biosolutions, das neue Wirkstoffe für die Medikamentenentwicklung herstellt. »Damit haben wir bewiesen, dass unsere Idee funktioniert.«

Die Idee hinter kez.biosolutions ist eine neue Art und Weise, medizinisch potenziell wertvolle Wirkstoffe nach dem Vorbild der Natur zu produzieren. Die Evolution hat über Jahrmillionen Wirkstoffe hervorgebracht, die beispielsweise Bakterien oder Pflanzen helfen, sich gegen Fressfeinde zur Wehr zu setzen. Enzymmaschinen in den Zellen von Mikroben und anderen Lebewesen stellen diese Polyketide genannten Naturstoffe per Biosynthese her.

Um vielversprechende natürliche Polyketide auch für den Menschen nutzbar zu machen – etwa, um neue Arzneimittel gegen Antibiotika-Resistenzen zu entwickeln – müssen diese chemisch verändert werden. Normalerweise geschieht dies nach der Biosynthese, was jedoch technisch aufwendig ist und aufgrund der Komplexität der Moleküle nur eingeschränkt funktioniert. Aus diesem Grund werden kaum noch neue Polyketide als Medikamente entwickelt und zugelassen.

Die Biochemiker:innen von kez.biosolutions wollen das ändern. Sie greifen frühzeitig ein und verändern den Prozess der Biosynthese selbst. »Einfach gesagt bringen wir den Bakterien bei, welche Wirkstoffe wir haben wollen – und sie produzieren diese für uns«, sagt Degen. »So können wir neue Stoffe erschaffen, die Pharmaunternehmen und Grundlagenforschende brauchen. Wir erschließen unzählige vielversprechende Polyketide aus der Natur für den Einsatz im Menschen.«

Doch was genau passiert dabei im Labor? Die Biochemiker:innen von kez.biosolutions verändern das Genom der Bakterien, damit sie Enzymmaschinen nach einem spezifischen Bauplan ausbilden. Sie tauschen ein Enzym der Maschine gegen ein verändertes – Selectase® genanntes – Enzym, das dann die gewünschten, neuen Polyketide herstellt. Werden die Bakterien nun vervielfältigt und in einem Bioreaktor mit eigens entwickelten Futtermitteln versorgt, können sie als quasi unerschöpfliche und nachhaltige Biofabriken für die erstrebten Moleküle dienen.

Standortbotschafter Jan Degen im Potsdam Science Park vor dem Innovationszentrum GO:IN
Standortbotschafter Jan Degen im Potsdam Science Park vor dem Innovationszentrum GO:IN ©Standortmanagement Golm GmbH/Adam Sevens

Zwei Freunde, eine Vision – und ein überzeugender Standort

Jan Degen, der Wirtschaftsinformatik studiert hat und zuvor viele Jahre in der Geschäftsführung eines Unternehmens der Veranstaltungsbranche tätig war, hat in kez.biosolutions eine neue Berufung gefunden. Ein alter Schulfreund aus Mainzer Tagen, der promovierte Biochemiker Alexander Rittner, hatte ihm seine Gründungsidee Ende 2021 vorgestellt. »Ich habe ihm gesagt, dass für mich die naturwissenschaftliche Seite Neuland ist, ich aber die kaufmännische Seite abdecke. Dass wir gut zusammenarbeiten können, war mir sofort klar«, sagt Degen.

Keine drei Wochen später saßen die beiden beim Notar. »Nach der Corona-Pandemie wollte ich meine Energie unbedingt für eine Sache einsetzen, bei der am Ende etwas Sinnvolles herauskommt.« Degen, der sich als den operativen Kopf im Team bezeichnet, hat sich seit der Gründung Anfang 2022 dem Aufbau der Firma verschrieben und sorgt dafür, dass die Wissenschaftler möglichst fokussiert im Labor arbeiten können. Mirko Joppe, ein Promotionskollege von Alexander Rittner, kam als erster Mitarbeiter am Jahresende 2022 dazu.

Im GO:IN Golm Innovationszentrum des Potsdam Science Park fand das Team die passenden Räume – zuerst einen Arbeitsplatz im Startup Space mit Schreibtisch, dann eigene Büros und Labore. Das Standortmanagement Golm unterstützte sie mit den richtigen Kontakten für eine qualifizierte Gründungs- und Fördermittelberatung. »Die ersten Monate haben wir uns mit eigenen finanziellen Mitteln über Wasser gehalten, danach hatten wir bereits erste Fördermittel akquiriert«, sagt Degen. Die Investitionsbank des Landes Brandenburg bezuschusste Anschaffungen für die Labore und erstattete anteilige Personalkosten. Über das regionale Programm »Gründung innovativ« bekamen sie 2023 weitere Investitionskosten zu 50 Prozent zurück. Jan Degen betont:

»Die Bedingungen für Startups in Brandenburg sind ideal.«

Potsdam Science Park-Standortbotschafter Jan Degen
Potsdam Science Park-Standortbotschafter Jan Degen ©Standortmanagement Golm GmbH/Adam Sevens

Vita Jan Degen

Jan Degen studierte Internationale Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Mannheim. Im Anschluss war er als selbstständiger Unternehmensberater tätig und wechselte 2014 in die Veranstaltungsbranche nach München, wo er in der Geschäftsführung tätig war. 2022 gründete er – zusammen mit Dr. Alexander Rittner – die kez.biosolutions GmbH.

Ein Durchbruch in der Grundlagenforschung findet den Weg in die Praxis

Die wissenschaftliche Idee hinter kez.biosolutions entstand durch jahrelange Grundlagenforschung. Alexander Rittner entwickelte an der Universität Frankfurt am Main als Postdoktorand ein Verfahren, bei dem im Reagenzglas – also in-vitro – das chemische Element Fluor in das Polyketid Erythromycin (ein Antibiotikum) eingebaut wird. Die Ergebnisse wurden 2022 in der renommierten Fachzeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht. kez.biosolutions entwickelt nun ein Verfahren, mit dem sich gewünschte Moleküle direkt in Bakterien (also in-vivo) produzieren lassen. Ende 2022 ließ kez.biosolutions das Enzym Selectase® – den Kern der Technologie – patentieren.

Nach dem technologischen Durchbruch Ende 2024 beschlossen Rittner und Degen, im Potsdam Science Park zu expandieren. Mittlerweile ist das Team um zwei biologisch-technische Assistenzen gewachsen. Sie haben eine digitale Bibliothek aufgebaut, die mehrere Millionen neue Moleküle enthält. Derzeit prüft eine Künstliche Intelligenz, welche davon so vielversprechend sind, dass ein therapeutischer Nutzen wahrscheinlich ist. »Die spannendsten Kandidaten können wir dann innerhalb von Wochen in die Realität holen«, sagt Degen. »Unsere Molekül-Bibliothek ist wie ein Lego-Baukasten, der in vielen medizinischen Feldern Anwendung finden kann, zum Beispiel für Krebsmedikamente, neue Antibiotika oder Präparate für gesundes Altern.«

Aktuell entwickelt das Team von kez.biosolutions ein Test-Kit mit knapp 1.000 neuen Polyketid-basierten Molekülen, so genannten Fragmenten. Pharmaunternehmen und Forschende können diese Fragmente künftig für ihre Medikamentenentwicklung nutzen. Wenn sie bestimmte Mechanismen oder Targets im Körper identifiziert haben, die Krankheiten auslösen, können sie die Fragmente von kez.biosolutions daran testen – und bestenfalls zu neuen Arzneistoffen weiterentwickeln.

Zukunft gestalten – Engagement für den Potsdam Science Park

»Es ist unheimlich wichtig, einen Innovationsort zu haben, an dem man als Startup experimentieren und sich ausprobieren kann.«

Im Potsdam Science Park sieht Jan Degen ein wachsendes Zentrum für Biotechnologie-Startups im Raum Berlin-Brandenburg. »Es ist unheimlich wichtig, einen Innovationsort zu haben, an dem man als Startup experimentieren und sich ausprobieren kann«, sagt Degen. Seit Ende 2023 ist er Beiratsmitglied der Standortmanagement Golm GmbH, um aktiv zu dieser Entwicklung beizutragen. Die vielzähligen Angebote des Standortmanagements, wie der Startup Space, der Welcome Service oder Deutsch- und Englischkurse für ausländische Mitarbeitende seien gerade für kleinere international arbeitende Unternehmen und Startups äußerst wertvoll.

Dazu kämen Netzwerkveranstaltungen für die Standortgemeinschaft, die jährlich stattfindende PS Conference, oder halbjährliche CEO-Treffen. »Dabei können die Unternehmen am Ort sich kennenlernen, austauschen und vielleicht feststellen, dass sie ähnliche Experimente machen oder die gleichen Geräte nutzen«, sagt Degen. Es sei auch eine standortweite Chat-Gruppe entstanden, in der man einfach mal schnell posten könne, zum Beispiel ob noch jemand Trockeneis oder Pipettenspitzen übrig hat. Der Standort ermöglicht Biotech-Unternehmen zudem den Zugriff auf gut ausgebildete Nachwuchskräfte aus Berlin und Brandenburg.

»Wir erhalten viele Bewerbungen von Studierenden der Universität Potsdam, die gerne hier vor Ort arbeiten wollen.«

Dass Jan Degen sich jetzt auch als Standortbotschafter für den Potsdam Science Park engagiert, sieht er als Investition in die Zukunft. »Ich möchte dazu beitragen, dass der Potsdam Science Park weiter wächst und sich Synergieeffekte für alle Forschenden und Unternehmen ergeben«, sagt er. Mit jeder Dienstleistung und jedem Freizeitangebot, das vor Ort entsteht, nehme die Attraktivität zu. Entscheidend sei die verlässliche Verkehrsanbinung an Berlin und die weitere Entwicklung der lokalen Infrastruktur – vom Arzt über gastronomische Angebote bis zum Fitnessstudio. Nur durch Entschlossenheit könne ein selbstverstärkender Effekt am Standort entstehen.

»Das ist genau das, worüber alle sprechen: wir brauchen eine gute Infrastruktur für Innovationen.«

 

Die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden kofinanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Brandenburg.
Text: Mirco Lomoth | © Fotos: sevens[+]maltry, Adam Sevens

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