Die Revolution aus dem Labor – Beschichtungen aus Kartoffel-, Mais- und Erbsenstärke

Beschichtungen schützen Materialien vor negativen Umwelteinflüssen. Sie sorgen unter anderem dafür, dass Metalle nicht rosten und Holz nicht aufquillt. Aktuell basieren allerdings noch über 90 % der Beschichtungen auf synthetischen Erdölprodukten. Das hat einige Nachteile für die Umwelt. Daher forscht Dr. Christina Gabriel-Liebs seit vielen Jahren an Möglichkeiten, Beschichtungen aus dem nachwachsenden Rohstoff Stärke herzustellen. Hier leistet sie echte Pionierarbeit. Ihre Produkte sind dabei äußerst vielversprechend und könnten den Beschichtungssektor revolutionieren und nachhaltiger gestalten.

Allein in Deutschland werden pro Jahr über 1,5 Millionen Tonnen an Beschichtungsstoffen produziert. Der Großteil wird dabei synthetisch aus Erdölprodukten hergestellt. Das hat einige Schattenseiten, denn ebenso wie bei anderen Gegenständen aus Kunststoff kann sich aus erdölbasierten Beschichtungen Mikroplastik bilden. Außerdem ist Erdöl eine begrenzte Ressource – die Kosten steigen weltweit an. Ebenso erlässt die Politik immer schärfere Gesetze, um die Ökobilanz von Produkten und Verfahren zu verbessern. Somit werden für die Industrie nachhaltigere Herstellungsverfahren und Ausgangsstoffe zunehmend wichtiger und attraktiver. Genau hier setzt die Forschung von Christina Gabriel-Liebs vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP an.

Vom Forscherdrang, Produkte zu entwickeln, die unsere Welt nachhaltiger machen

Seit 2013 beschäftigt sich die Chemikerin Christina Gabriel-Liebs mit Stärke und ihrer Modifikation für technische Anwendungen. Zu der Zeit hatte sie ihre Masterarbeit am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP begonnen. Seitdem ging es für die gebürtige Nordhessin erfolgreich weiter: Bei Ihrer Doktorarbeit am Fraunhofer IAP befasste sie sich, vereinfacht gesagt, mit den Möglichkeiten, aus Stärke wasserbeständige Bindemittel für Beschichtungen herzustellen. Da auf diesem Gebiet bisher wenig geforscht wurde, konnte sie ganz neue Produkte entwickeln. Auf die Frage, was sie antreibt, hat Gabriel-Liebs eine klare Antwort: „Ich will an Möglichkeiten forschen, wie wir nachhaltiger leben können“.

Stärke ist nicht gleich Stärke – die Suche nach den passenden Ausgangsstoffen

Seit ihrer Doktorarbeit hat Christina Gabriel-Liebs in diversen Projekten die Produkteigenschaften optimiert, um aus dem Ausgangsstoff Stärke Beschichtungen herzustellen. Die Ergebnisse waren dabei so vielversprechend, dass sie auf einzelne Serien von Stärkeester-Beschichtungen ein Patent angemeldet hat. „Wir waren alle überrascht, was mit Stärke in diesem Bereich möglich ist“, erklärt die Wissenschaftlerin. Denn Stärke wird unter anderem aus Kartoffeln, Erbsen oder Mais gewonnen – und damit aus nachwachsenden Rohstoffen. Doch hier beginnt bereits die erste Herausforderung. Denn Stärke ist nicht gleich Stärke. Je nachdem, aus welcher Pflanze sie gewonnen wird, variieren ihre Eigenschaften. Das hat natürlich auch Einfluss auf die finalen Eigenschaften der Beschichtung.

Rühren, erhitzen, verestern, reinigen: So wird die Stärke modifiziert

Die native (unverarbeitete) Stärke besitzt allerdings noch nicht die optimalen Eigenschaften, um als wasserbeständiger Beschichtungsstoff eingesetzt zu werden. Christina Gabriel-Liebs: „Biobasierte Rohstoffe haben die Gemeinsamkeit, dass sie bei Kontakt mit Wasser quellen. Die Beschichtung würde damit ihre Haftung an der Oberfläche verlieren und sich lösen.“ Die Stärke muss also so modifiziert werden, dass dies unterbunden wird. Zunächst wird sie beispielsweise im Labor in Kolben unter starkem Rühren bei etwa 200 bis 300 Umdrehungen pro Minute auf 90 bis 95 Grad erhitzt. Christina Gabriel-Liebs setzt dann unter anderem auf eine Veresterung mit Fettsäuren. Bei diesem Prozess bildet sich ein so genannter Ester durch die Reaktion der Fettsäure mit der Stärke. Der entstehende Stärkeester muss dann durch ein Alkoholwassergemisch gereinigt werden. Fertig ist die modifizierte Stärke.

Vielversprechende Resultate in den Tests

In einem weiteren Schritt gelangt die modifizierte Stärke zum Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Dort führen die Kolleg:innen dann Stabilitätstests durch. Sie setzen beschichtete Materialien beispielsweise schwankenden Temperaturen von -10°C bis 40°C aus – schließlich muss zum Beispiel die Beschichtung eines Holztisches solche Temperaturen in Deutschland aushalten. Die Kolleg:innen untersuchen auch, wie sich die Beschichtung gegenüber Wasser verhält. Sind die Tests erfolgreich, gehen die Proben an die Industrie. Mit den ersten Ergebnissen ist Christina Gabriel-Liebs sehr zufrieden: „Bei den bisherigen Tests zeigte sich, dass die Stärke durch die Modifizierung eine sehr gute Wasserbeständigkeit hat. Außerdem konnten wir eine sehr gute Haftung auf verschiedenen Oberflächen wie Metallen, Glas oder vereinzelten Kunststoffen und Hölzern nachweisen“, so die Wissenschaftlerin.

Dass ein Bindemittel ganz ohne Additive, also ohne weitere Zusatzstoffe, auf so einer Bandbreite an verschiedenen Substraten funktioniert, sei dabei laut Christina Gabriel-Liebs recht ungewöhnlich: „Nicht umsonst gibt es so viele verschiedene synthetische Bindemittel für verschiedene Oberflächen und Anwendungen“, so Gabriel-Liebs. „Schließlich hat eine Beschichtung für Parkettböden andere Ansprüche als beispielsweise ein Regal im Wohnzimmer.“

Karriere und Entwicklungsmöglichkeiten am Fraunhofer IAP im Potsdam Science Park

Aktuell laufen beim Fraunhofer IAP gleich zwei Projekte in diesem Bereich. In einem geht es um nachhaltige Holzschutzbeschichtungen auf Stärkeester-Basis, in einem anderen um CO2-modifizierte Stärke für biobasierte wasserbeständige Beschichtungen. Das erste Projekt läuft Ende 2022 aus, dann wird Christina Gabriel-Liebs wieder neue Erkenntnisse über Stärke gewonnen haben und ihrem Ziel, eine nachhaltige Lösung für Beschichtungen zu entwickeln, ein Stück näher sein. Dabei ist sie froh, mit dem Fraunhofer IAP eine Forschungseinrichtung gefunden zu haben, die sie bei ihren Vorhaben unterstützt. Der Schritt, nach Potsdam zu gehen und zu bleiben, war aus ihrer Sicht genau die richtige Entscheidung gewesen. Manchmal staunt sie noch heute, wie stark sich der Potsdam Science Park seit ihrer Masterarbeit entwickelt hat: „Es ist unglaublich viel passiert. Viele neue Gebäude sind entstanden.

Es ist inzwischen eine viel lebendigere Atmosphäre auf dem Campus als 2013, als ich begann, hier zu arbeiten“, so Gabriel-Liebs. Dass der Standort etwas außerhalb des Potsdamer Zentrums liegt, empfindet sie als Vorteil: „Die Natur kann sehr inspirierend sein: Einmal kurz rausschauen, abschalten und neue Kraft tanken, das ist hier möglich“, erzählt sie weiter. Für die Zukunft wünscht sie sich noch mehr Austausch zwischen den unterschiedlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen am Standort: „Wir haben hier viel Wissen und Innovationspotenziale vor Ort. Wenn wir uns mehr austauschen, können wir viel voneinander lernen und profitieren.“

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