Rooftop Pitch Potsdam – vier Minuten, um millionenschwere Investor:innen zu überzeugen

Am 16. Mai 2022 fand zum dritten Mal in Folge der Rooftop Pitch Potsdam statt. In der Potsdamer Wissenschaftsetage präsentierten knapp zwei Dutzend Startups ihre Geschäftsideen vor ausgewählten Investor:innen. Für sie geht es um viel, denn die Kapitalgeber:innen sind bereit, mitunter bis zu 300.000 Euro in eine gute Idee und ein Team zu investieren und sie mit Kontakten zu unterstützen.

„Sie sind unsere Hoffnung für Herausforderungen, die uns heute und in Zukunft bevorstehen“. Mit diesen Worten eröffnet Agnes von Matuschka, Geschäftsführerin des Standortmanagements des Potsdam Science Park, am 16. Mai 2022 den dritten Rooftop Pitch Potsdam. An diesem Tag nutzen elf Startups ihre Chance, um sich und ihre Idee in vier Minuten vor circa 40 geladenen Gästen, darunter 20 Investor:innen, vorzustellen. Dabei geht es um Finanzierungsmöglichkeiten, aber auch darum, wertvolle Kontakte zu knüpfen. Denn ab 19 Uhr laden die Veranstalter:innen vom Potsdam Science Park zum lockeren Networking auf der Dachterrasse, um bei kalten Getränken und einem Imbiss Ideen und Geschäftsmodelle zu diskutieren. Sie alle vereint der Wunsch, neue Lösungen und innovative Produkte an den Markt zu bringen und damit erfolgreich zu sein. Für die Anfangsphase bzw. die weitere Entwicklung benötigen Start-ups entsprechendes Startkapital. Denn um ein Unternehmen erfolgreich aufzubauen, sind zunächst einmal Investitionen erforderlich. Um beispielsweise Prototypen herzustellen, Software zu entwickeln oder Produkte zu vermarkten, müssen Gründer:innen mitunter mehrere 100.000 Euro aufbringen, in Einzelfällen bis zu einer halben Million. Aus eigener Tasche ist dies in den wenigsten Fällen zu leisten. Das benötigte Kapital erhalten Startups entweder bei Kreditinstituten, wo sie es verzinst zurückzahlen müssen, oder von Investor:innen, die für ihr Investment Firmenanteile erhalten. Das Kapital und das Know-how hilft den Startups beim Wachsen. Der Erfolg von neuen Unternehmen ist auch für die Gesellschaft von großer Relevanz: Insbesondere Startups, so von Matuschka, könnten „disruptive Innovationen voranbringen“, die veraltete Geschäftsmodelle und Technologien in vielen Bereichen durch zukunftsweisende Lösungen ersetzen und so Verbesserungen schaffen, die der Allgemeinheit zugutekommen.

Rooftop Pitch Potsdam: Gründer:innen treffen Investor:innen

Das Standortmanagement des Potsdam Science Park organisiert die Veranstaltung gemeinsam mit den Partnern inzwischen zum dritten Mal. Partner des Events sind Potsdam Transfer, die Landeshauptstadt Potsdam, Knappworst Steuerberatung, die School of Entrepreneurship – Hasso-Plattner-Institut, die Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB), der Business Angels Club Berlin-Brandenburg e.V. und der MediaTech Hub Accelerator. Die Spannbreite der vertretenen Branchen und Schwerpunkte ist breit gefächert. Sie reicht in diesem Jahr von Firmen wie Aizen Technologies, die eine Art Scanner für UV-Schutz herstellen, bis hin zu funki, die das Milchprotein Kasein im Labor herstellen und so eine Käseproduktion ohne Milchkühe etablieren wollen. Es geht um Apps für die Früherkennung von Demenz (memodio), um Plattformen, auf denen sich Personen mit chronischen Erkrankungen mit Gleichgesinnten austauschen können (mama health), oder um die Möglichkeit, Produktionsabfälle in Industriebetrieben neu zu verwerten (Normcut). Einige von ihnen sind noch in einer frühen Phase ihrer Gründung und wollen hier zum ersten Mal ihre Idee präsentieren, erste Pitcherfahrungen sammeln und sich mit anderen Gründer:innen austauschen. Andere konnten sich bereits erste Investments sichern und nutzen den Rooftop Pitch Potsdam, um ihr Netzwerk zu erweitern und weitere Investor:innen von sich zu überzeugen.

Erfolgsgeschichte Mitigant – vom Prototypen zum fertigen Produkt und siebenstelliger Investitionssumme in einem Jahr

Nils Karn erinnert sich noch gut, wie es sich anfühlte, sein Startup beim Rooftop Pitch Potsdam vor Investor:innen und anderen Gründer:innen zu präsentieren. „Es war eine der ersten Veranstaltungen 2021, die in Präsenz stattfinden konnte. Dementsprechend spannend war es für uns, unsere Idee vor einem Live-Publikum zu präsentieren“ erinnert er sich. Er selbst hatte als Projektkoordinator bei Potsdam Transfer gearbeitet und so vom Rooftop Pitch Potsdam erfahren. „Aus Startup-Sicht ist das Format sehr interessant, um mit Venture Capitalists in Austausch zu treten — aus dem Feedback kann man zudem immer auch einiges lernen“, so Nils Karn weiter. 2021 entstand so für ihn und sein Team so der Kontakt mit Investor:innen von Brandenburg Capital, die inzwischen auch in das Unternehmen investiert haben. „Wir konnten uns in über einem Jahr nach Gründung eine siebenstellige Summe von verschiedenen Investoren sichern. Der Rooftop Pitch Potsdam war gewissermaßen für uns der Auftakt für unseren weiteren Erfolg“, so der Gründer. Damals hätten sie noch an einem Prototypen gearbeitet, inzwischen sei das Produkt fertig und das Unternehmen beschäftige zwölf Angestellte.

Die Welt der Business Angels

Während die Startups ihre Ideen auf der Bühne vorstellen, sitzen im Publikum etwa zwanzig Investor:innen. Was hier auffällt: Es sind größtenteils Privatpersonen, die mitunter selbst erfolgreich ein oder mehrere, teils sehr bekannte Unternehmen aufgebaut haben und erfolgreich verkaufen konnten. Die Summen, die sie in ausgewählte Startups investieren, liegen zwischen 50.000 Euro und 300.000 Euro. Für viele junge Unternehmen ist dies der einzige Weg, um in den Markt zu starten. Nicht minder wertvoll sind zudem das Know-how und die Netzwerke, die ein:e Investor:in mit sich bringt. Wer bereits selbst erfolgreich gegründet oder andere bei der Gründung begleitet hat, weiß, welche Mechanismen erforderlich sind, um sich im Markt zu positionieren. Solche Investor:innen werden als Business Angels bezeichnet, weil ihr Beitrag oft wesentlich mehr ist als eine Investition in Firmenanteile: Hier werden Startups mit innovativen, marktreifen Lösungen mit umfangreicher Expertise auf ihrem Weg begleitet.

Einer, der sich mit dem Geschäft der Business Angels hervorragend auskennt, ist Sebastian Schwenke. Er ist Managing Director des Business Angels Club Berlin-Brandenburg e.V. (BACB). Der Verein zählt knapp 100 Mitglieder, die als Business Angels junge Unternehmen mit ihrer Erfahrung und ihrem Kapital unterstützen. Den Potsdam Rooftop Pitch besucht Sebastian Schwenke, der selbst bereits ein Unternehmen gegründet hat und eine eigene Beteiligungsgesellschaft besitzt, um neue Unternehmen kennenzulernen. „Mich interessieren die Teams, die man in der Szene noch nicht kennt“, sagt Schwenke. „Beim Rooftop Pitch Potsdam kommen erstklassige Unternehmen zusammen, die oft von renommierten Einrichtungen wie Potsdam Transfer oder dem Hasso-Plattner-Institut gefördert wurden. Für mich ist das ein spannendes Event, man trifft gute Leute, die Location und Organisation sind erstklassig“, so Schwenke.

Sebastian Schwenke (Mitte), Managing Director des Business Angels Club Berlin-Brandenburg e.V. (BACB), im Gespräch mit Nils Karn von Mitigant (links); © sevens[+]maltry

Wie das Startup Voize nach dem Rooftop Pitch Potsdam 2021 Investor:innen finden konnte

Zu denjenigen, die schon einen Schritt weiter sind und vom Potsdam Rooftop Pitch profitieren konnten, gehört das Startup Voize. 2020 entschlossen sich die Zwillingsbrüder Fabio und Marcel Schmidberger, die Dokumentation im Pflegebereich zu automatisieren. Ihre Idee: Hoch spezialisierte KI-Systeme machen eine Pflegedokumentation per Spracheingabe möglich. Pflegekräfte können also ihre Berichte in das Smartphone einsprechen und sparen so Zeit. Normalerweise müssten sie alles manuell eingeben und dafür verschiedene Dokumente öffnen. Voize automatisiert diesen Prozess. Informationen wie „Bewohner hat schlecht geschlafen, hustet leicht, hat Temperatur 38,2°C, Covid-19 negativ“ werden automatisch verschiedenen Dokumenten zugeordnet. Laut den Gründern würde das System auch Fachbegriffe, Dialekte und die Aussprache von nicht-deutschen Muttersprachler:innen erkennen.

Ihr Geschäftsmodell war so attraktiv, dass das Unternehmen bereits den HPI Businessplan-Wettbewerb 2019 gewinnen konnte. Die Brüder und Mitgründer Erik Ziegler hatten zuvor beide am Hasso-Plattner-Institut (HPI) studiert und wurden so auch auf den Rooftop Pitch Potsdam aufmerksam. „Die Veranstaltung war für uns eine großartige Chance, weil hier ein konkretes Investment im Raum stand und wir vor Investor:innen pitchen konnten“, erinnert sich Marcel Schmidberger. Zuvor hatten sie bereits rund zehn Pitches absolviert, Pflegemessen in Deutschland besucht, aber auch in Kalifornien um Fremdkapital geworben. In Potsdam folgte dann die Gelegenheit, sich in lockerer Atmosphäre direkt auszutauschen. Mit Erfolg: „Wir konnten einen Angel-Investor von unserer Idee und unserem Business überzeugen“, sagt Marcel Schmidberger. „Er hat in uns investiert und unser Startup als privater Seed-Investor weiter vorangebracht.“ Inzwischen konnte Voize weitere Investor:innen begeistern und sogar ein Investment von Y Combinator, einem der weltweit größten Startup Accelerators, gewinnen.

Direktes Feedback von Investor:innen, um zu lernen und zu wachsen

Gegen 17:30 starten die diesjährigen Startup-Pitches. Die Aufregung merkt man vielen nicht an. Selbstbewusst und mit viel Leidenschaft erzählt zum Beispiel Mattia Marco von mama health von ihrem Wunsch, Menschen mit chronischen Erkrankungen zu helfen, und von deren Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen: „They want to be heard“. Nach jeder Präsentation haben die Investor:innen Zeit, ihre Fragen zu stellen. Dabei geht es auch um das Finanzielle: Wie die Gründerinnen das Marktpotenzial einschätzen, wie sie ihren Vertrieb organisieren und was sie mit dem Geld konkret realisieren wollen, wenn sie es erhalten sollten. Auch die Fragesteller:innen haben nur vier Minuten Zeit, dementsprechend zügig geht es voran. Beim anschließenden Get-together auf dem Dach der Wissenschaftsetage nutzen die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich direktes Feedback von Investor:innen und Gründer:innen zu holen.

„Für uns hat sich der Rooftop Pitch Potsdam in jedem Fall gelohnt“, sagt Jonas Witt, einer der drei Gründer von mama health. „Wir hatten sehr interessante Gespräch im Anschluss auf der Dachterrasse, auch mit dem Business Angels Club Berlin Brandenburg, mit dem wir weiter in Kontakt bleiben werden. Wir suchen gerade Seed-Investorinnen oder Seed-Investoren, die bereit sind, einen größeren Betrag zu investieren.“ Ein wichtiger Aspekt für die Gründer von mama health ist es zudem, aus den Erfahrungen beim Rooftop Pitch Potsdam zu lernen: „Das Besondere am Rooftop Pitch Potsdam ist zum einen, dass wir uns hier direkt mit Investor:innen austauschen können und so direktes Feedback erhalten und wissen, wie wir besser werden können. Das ist unglaublich wichtig, um als Startup zu wachsen“, so Jonas Schmitt. Der gebürtige Potsdamer hat aber noch ein weiteres Anliegen: „Zum anderen finde ich es großartig, dass es ein lokales Event ist, mit dem wir die Region Potsdam stärken. Denn hier entstehen viele großartige Ideen, die es verdienen, eine Chance auf dem Markt zu haben.“

Selbstbewusst und mit viel Leidenschaft erzählt zum Beispiel Mattia Marco von mama health von ihrem Wunsch, Menschen mit chronischen Erkrankungen zu helfen, und von deren Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen. © sevens[+]maltry

 

Dieser Blog und die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert. Bildnachweis: ©Standortmannagement Golm GmbH/sevens[+]maltry

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