Professor Peter H. Seeberger
Max-Planck-Direktor Prof. Dr. Peter H. Seeberger in der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung ©Standortmanagement Golm GmbH/sevens[+]maltry

Standortbotschafter Prof. Peter H. Seeberger – »Ein Gravitationsfeld für engagierte Forschende«

Prof. Dr. Peter H. Seeberger will medizinische Probleme mit Wissen aus der chemischen Grundlagenforschung lösen. Der Potsdam Science Park bietet ihm das perfekte Umfeld, um Ideen in Innovationen zu verwandeln.

Der bläulich schimmernde Kasten ist ein echter Potsdamer. Das Glyconeer genannte Gerät wurde im Potsdam Science Park in Golm entwickelt – und hier wird es auch gefertigt und an Labore in aller Welt verkauft. In seinem Innern läuft ein automatisierter chemischer Prozess ab: Er stellt künstliche Zuckerketten her. „Sie sind die Basis für eine neue Generation von Impfstoffen und diagnostischen Verfahren“, sagt Peter H. Seeberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) im Potsdam Science Park und Gründer des Unternehmens GlycoUniverse, das den Glyconeer herstellt.

Zuckerketten übernehmen wichtige Aufgaben im Körper. Die sogenannten Glykane, die sich aus Einfachzucker-Bausteinen zusammensetzen, sorgen an der Außenseite von Zellen zum Beispiel für die molekulare Kommunikation mit anderen Zellen. Erreger wie Bakterien, Viren oder Pilze können diese Funktion ausnutzen: Sie docken mit Hilfe von Glykanen an Körperzellen an – und verursachen so Krankheiten. Mit Hilfe des Glyconeers lassen sich die Glykane von der Oberfläche der Erreger künstlich nachbauen, um dem Immunsystem auf die Sprünge zu helfen und neue Impfstoffe zu entwickeln.

»Man kann hier auf kurzem Wege mit der Industrie ins Gespräch kommen, um Möglichkeiten auszuloten und gute Ideen gleich vor Ort kommerziell zum Fliegen zu bringen.«

Im Potsdam Science Park hat GlycoUniverse, eine Ausgründung des MPIKG, das geeignete Umfeld gefunden, um diese geniale Idee aus der Grundlagenforschung bis zur Marktreife voranzutreiben – und sie fortwährend zu optimieren. »Der Potsdam Science Park bietet mit der räumlichen Nähe zwischen Forschungsinstituten und forschungsnaher Industrie eine optimal dichte Packung, um Innovationen entstehen zu lassen«, sagt Seeberger, der am MPIKG die Abteilung Biomolekulare Systeme leitet und die Methode erfunden hat, die dem Glyconeer zugrunde liegt. »Man kann hier auf kurzem Wege mit der Industrie ins Gespräch kommen, um Möglichkeiten auszuloten und gute Ideen gleich vor Ort kommerziell zum Fliegen zu bringen.« Gerade im Bereich der Gesundheitsforschung und der Life Sciences sei der Potsdam Science Park ein erstklassiger Innovationsstandort für Berlin und Brandenburg.

Prof. Peter H. Seeberger im Labor
Eine effiziente Methode für die Medikamentenentwicklung: Prof. Peter H. Seeberger im MPIKG vor einer Anlage zur Reaktionsoptimierung auf Basis der von ihm entwickelten Durchflusschemie. ©Foto: Standortmanagement Golm GmbH/sevens[+]maltry

»Ich weigere mich aufzuhören, weil ich überzeugt bin, dass Forschung und Technik die Welt besser machen können«

Seeberger ist Grundlagenforscher, aber einer, der weitermacht, wenn die Theorie längst zu Papier gebracht ist. »Ich weigere mich aufzuhören, weil ich überzeugt bin, dass Forschung und Technik die Welt besser machen können«, sagt er. »Gerade im medizinischen Bereich gibt es viele Probleme, die wir durch engagierte Forschung lösen können.« So hilft der Glyconeer, der auf Seebergers langjähriger Forschung zu Zuckermolekülen beruht, seinem Team heute dabei, neuartige Impfstoffe selbst zu entwickeln – etwa gegen Meningokokken, die tödliche Hirnhautentzündungen verursachen können, oder auch gefährliche Krankenhauskeime. Gegen das Bakterium C. difficile durchläuft ein Impfstoffkandidat gerade eine klinische Studie an der Charité – Universitätsmedizin in Berlin. »Wir bereiten derzeit eine gemeinsame Ausgründung für die Impfstoffentwicklung gegen Krankenhauskeime vor«, sagt Seeberger.

Schon jetzt ist Peter H. Seeberger, der im Laufe seiner Karriere ganze elf Unternehmen auf den Weg gebracht hat, ein strahlendes Vorbild für Ausgründungen aus der Wissenschaft. Der international renommierte Chemiker sieht Gründungen als einen Weg, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. So ist es ihm zum Beispiel gelungen, die Idee einer effizienten chemischen Methode – der automatisierten Durchflusschemie – zu einer Innovation zu entwickeln, mit der sich das Malaria-Medikament Artemisinin schnell und kostengünstig herstellen lässt. Die Firma ArtemiFlow, die Seeberger ebenfalls im Potsdam Science Park gegründet hat, stellt auch Antikrebs-Medikamente auf der Basis von Artemisinin her, die in den USA vielversprechende klinische Studien durchlaufen.

»Der Potsdam Science Park bietet mit der räumlichen Nähe zwischen Forschungsinstituten und forschungsnaher Industrie eine optimal dichte Packung, um Innovationen entstehen zu lassen.«

»Ausgründungen aus der Forschung funktionieren hier in Potsdam-Golm sehr gut und auch Unternehmen siedeln sich vermehrt hier an, weil sie auf das Fachkräftepotenzial des Standorts und der gesamten Hauptstadtregion zugreifen wollen«, sagt Seeberger. Allein die Universität Potsdam mit ihren mehr als 10.000 Studierenden auf dem naturwissenschaftlich geprägten Campus Golm im Potsdam Science Park böten einen stetigen Quell gut qualifizierter Nachwuchskräfte. Dazu kämen die großen Universitäten Berlins, die alle ebenfalls in Reichweite seien.

© sevens+maltry

Privat: Vita Prof. Dr. Peter H. Seeberger

Peter H. Seeberger ist seit 2009 Direktor der Abteilung Biomolekulare Systeme am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und Professor an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsarbeiten zur Chemie und Biologie von Kohlenhydraten, zur Entwicklung von Kohlenhydrat-Impfstoffen und zur kontinuierlichen Flusssynthese von Arzneimitteln wurden in mehr als 670 Artikeln, fünf Büchern und über 60 Patentfamilien veröffentlicht. Aus seinen Arbeiten sind mehrere erfolgreiche Firmen in Deutschland, den USA, der Schweiz und Dänemark hervorgegangen.

Seit Peter H. Seeberger 2009 Direktor am MPIKG geworden ist, hat er an den Standort geglaubt und durch seine Kontakte dazu beigetragen, ihn international bekannt zu machen. »Damals gab es hier nicht einmal einen Bahnhof, kaum Wohnraum und keine Möglichkeiten für Ausgründungen«, erinnert er sich.

»Seither ist es konstant bergauf gegangen und der Potsdam Science Park hat sich zu einem der führenden Campi in der Hauptstadtregion entwickelt. Das Standortmanagement Golm ist für den Potsdam Science Park ein wichtiger integrierender Player, dem es gelungen ist, eine gute Nachbarschaft aufzubauen und eine Marke zu etablieren, sowie die Interessen der Nutzer bündeln und sie mit einer Stimme sprechen zu lassen.««

Die hohe Konzentration an naturwissenschaftlicher Spitzenforschung – außeruniversitär wie universitär – wirke wie ein Gravitationsfeld auf engagierte Forschende. Gerade in der Chemie sei Golm so attraktiv wie Cambridge oder Tokio. Aber auch die Lage innerhalb der Hauptstadtregion sei über den ganzen Erdball ein wichtiges Argument, um die besten Leute zu rekrutieren. Drei von vier Forschenden aus Seebergers eigener Arbeitsgruppe kommen aus dem Ausland; und auch GlycoUniverse sei mit Mitarbeitenden aus Indien, Venezuela, Vietnam und Taiwan denkbar international aufgestellt. »Das Standortmanagement macht mit dem Welcome Service einen wirklich guten Job, um ausländische Fachkräfte hier willkommen zu heißen, Wohnraum zu vermitteln und Sprachkurse anzubieten.«

Der Potsdam Science Park sei zudem immer mehr zusammengewachsen. »Es ist gelungen, eine gute Nachbarschaft aufzubauen und nach außen eine Marke zu etablieren«, sagt Seeberger. Jetzt müsse aus einer Stätte des Arbeitens noch mehr eine Stätte des Lebens und Arbeitens werden. Dafür brauche es vor Ort zusätzlichen Wohnraum, Geschäfte, Gastronomie – und eine verlässliche Anbindung an Berlin, die es ermöglicht, abends auch mal länger in Golm zu bleiben. »Mein Traum ist eine Art Las Vegas der Naturwissenschaften, an dem man 24/7 nach Lust und Laune arbeiten, leben und gründen kann«, sagt Seeberger. »Nur Intelligenz und Wille sollten limitierende Faktoren sein, drumherum muss alles stimmen.«

 

Die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden kofinanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Brandenburg.
Text: Mirco Lomoth | Fotografie: sevens[+]maltry

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