Prof. Dr. Antje Baeumner begutachtet Lab-on-a-Chip-Systeme am Fraunhofer IZI-BB
Prof. Dr. Antje Baeumner begutachtet Lab-on-a-Chip-Systeme am Fraunhofer IZI-BB ©Standortmanagement Golm GmbH/sevens[+]maltry

Standortbotschafterin Prof. Antje Baeumner – »Ein wichtiger Schub für Digital Health in Brandenburg«

Prof. Dr. Antje Baeumner will gemeinsam mit der Industrie innovative Sensoren für drängende Probleme der medizinischen Diagnostik, Lebensmittelsicherheit und Umweltanalytik entwickeln. 2023 ist sie dafür an das Fraunhofer IZI-BB im Potsdam Science Park gekommen.

Das Pflaster der Zukunft könnte rechtzeitig davor warnen, wenn eine Wunde Probleme macht. Ein Sensor würde den Zustand der Verletzung messen und eine künstliche Intelligenz die Daten auswerten. »Der Patient würde eine Nachricht erhalten, wenn die Wunde sich verschlechtert und behandelt werden muss«, sagt Antje Baeumner, die Leiterin des Institutsteils für Bioanalytik und Bioprozesse am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI-BB im Potsdam Science Park. Die innovative diagnostische Methode könnte Menschen, die unter einer chronischen Wunde leiden, unnötige Arztgänge ersparen – vor allem wenn sie auf dem Land leben.

Antje Baeumner schwebt eine Zukunft vor, in der präzise biochemische Sensoren mit Unterstützung digitaler Technologien für eine bessere medizinische Diagnostik und somit Gesundheitsversorgung sorgen. Die muss dann nicht zwingend im Labor stattfinden, wie bisher üblich, sondern kann auch vor Ort bei den Patient:innen erfolgen. So wie jede:r zu Hause einen Covid-Test machen kann, könnten dezentrale Sensoren in Zukunft dabei helfen, ohne Arzt und Labor einen Vitaminmangel zu diagnostizieren, das eigene Herzinfarktrisiko zu überwachen oder festzustellen, wann ein Lebensmittel verdorben ist oder Umweltgifte zur Bedrohung werden.

Das Fraunhofer IZI-BB verbindet ingenieurwissenschaftliches und biochemisches Fachwissen, um Sensoren für solche Aufgaben so präzise und sicher wie möglich zu gestalten – von der Probenentnahme über deren Aufbereitung bis zur Messung und Auswertung. »Entscheidend ist, wie man die Proben gewinnt und aufbereitet, um sie überhaupt messbar zu machen«‚ so Baeumner. »Ein Herzinfarktmarker im Blut liegt zum Beispiel in einer Konzentration vor, die 1000-mal geringer ist als die von Blutzucker.«

»Wir haben hier im Haus Methoden entwickelt, um auch geringste Konzentrationen von Analyten verlässlich bestimmen zu können.«

Die Sensoren benötigen dafür spezifische Fängermoleküle, die die gewünschten Marker binden können. Diese Moleküle, zu denen sowohl Biomoleküle wie Antikörper als auch synthetische Moleküle gehören, können alle am Fraunhofer IZI-BB synthetisiert und optimiert werden. Je nach Anwendung werden die Moleküle in eine geeignete Testplattform integriert, die von schnellen Wischtests über Messfühler bis hin zu komplexen Lab-on-a-Chip-Systemen variieren können, mit denen sich zum Beispiel lebende Zellen für die Medikamentenentwicklung in Echtzeit beobachten lassen.

Professorin Antje Baeumner
Prof. Dr. Antje Baeumner, Institutsleiterin des Fraunhofer IZI-BB ©sevens[+]maltry

Antje Baeumner, die seit 2013 den größten analytischen Lehrstuhl Deutschlands an der Universität Regensburg leitet, ist eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Bioanalytik und Biosensorik. Im August 2023 ist sie als Leiterin des IZI-BB in den Potsdam Science Park gekommen, um universitäre mit anwendungsorientierter Forschung zu verbinden. »Am Fraunhofer IZI-BB habe ich jetzt die Möglichkeit, zusammen mit Firmen ganz konkrete Lösungen für Probleme zu finden und Technologien zu entwickeln«, sagt sie. So kann zum Beispiel aus Leberzellen und Sensoren, die über längere Zeiträume die Zellvitalität messen, ein Organ-on-a-Chip-System geschaffen werden, das als »Miniaturleber« Wirkstoffe auf ihre Giftigkeit prüfen kann und damit eine Alternative zu Tierversuchen darstellt.

»Im Potsdam Science Park sind vor allem hoch innovative kleine und mittlere Firmen angesiedelt. Das ist enorm wichtig für eine gute Entwicklung des Innovationsstandortes.«

Als Leiterin des Fraunhofer IZI-BB bringt Antje Baeumner ihre eigene Expertise zu innovativen Nanomaterialien ein, um die im Haus entwickelten Sensoren für die Zukunft zu rüsten. Nanomaterialien können Signale in Proben verstärken, um diese messbar zu machen. So können zum Beispiel mit Farbstoffmolekülen befüllte Nanovesikel in einer Blutprobe an Viren binden und diese sichtbar machen – oder Nanofasern kleinste Viren aus der Luft filtern, um diese anschließend zu messen. »Wir wollen dieses Alleinstellungsmerkmal in Sachen Probenvorbereitung und -aufbereitung ausbauen und so auch den Potsdam Science Park insgesamt für Diagnostik-Unternehmen interessanter machen.«

Prof. Dr. Antje Baeumner ist seit 2003 Institutsleiterin des Fraunhofer IZI-BB
Prof. Dr. Antje Baeumner, Institutsleiterin des Fraunhofer IZI-BB ©sevens[+]maltry

Vita Prof. Dr. Antje Baeumner

Prof. Baeumner studierte Biotechnologie an der TU Braunschweig und promovierte in Technischer Biochemie an der Universität Stuttgart. 1997 ging sie mit einem Postdoc-Stipendium an die renommierte Cornell University (Ithaca, NY). Nach einer Tenure-Track-Laufbahn übernahm sie dort 2008 die Professur im Department Biological & Environmental Engineering. Dem Ruf der Universität Regensburg folgte sie 2013, wo Sie bis heute als Professorin das Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensoren leitet. Seit August 2023 hat sie zudem die Leitung des Fraunhofer IZI-BB im Potsdam Science Park übernommen.

Im Potsdam Science Park hat Baeumner eine optimale Konstellation vorgefunden, um gute Ideen und exzellente bioanalytische Forschung in innovative Produkte umzusetzen. »Der Potsdam Science Park ermöglicht die Vernetzung mit der Industrie, die wir dringend brauchen«, sagt Baeumner, der ihr neuer Arbeitsplatz als leidenschaftliche Joggerin auch aufgrund der landschaftlichen Schönheit der Umgebung bereits ans Herz gewachsen ist. »Das Standortmanagement achtet sehr drauf, dass Firmen herkommen, die zum Forschungsprofil der Life Sciences, Diagnostik und Biotechnologie passen.« Dieser Fokus sei enorm wichtig, um genau jene Art von Vernetzung zu ermöglichen, aus der Synergien hervorgehen.

»Das Transferpotential des Potsdam Science Park ist sehr hoch, weil wir die richtigen zukunftsgerichteten Player am Ort haben. Mit der Universität, den Fraunhofer-Instituten und der Industrie sind drei wichtige Bausteine vorhanden, die es für einen erfolgreichen Transfer braucht, gerade im Bereich Life Sciences und Gesundheit.«

Am wachsenden Potsdamer Innovationsstandort sieht Baeumner ein erhebliches Potenzial für Kooperation und Transfer, da gerade im Bereich Life Sciences und Gesundheit die Dichte zukunftsgerichteter Institutionen immer höher werde. So gibt es mit dem benachbarten Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung IAP engste Verbindungen. »Mit dem Fraunhofer IAP haben wir hier am Standort das Knowhow, um Medizinprodukte aus nachhaltigen Materialien herzustellen und sie auch in dieser Hinsicht zukunftsfähig zu machen“, betont Baeumner. „Man denke nur an die Unmengen von Abfall, die all die Covid-Tests verursacht haben.« In dem gemeinsamen Leistungszentrum »Integration biologischer und physikalisch-chemischer Materialfunktionen« bündeln beide Fraunhofer Institute im Potsdam Science Park ihre Transferinitiativen, um überzeugende Technologien möglichst effizient in die Anwendung zu überführen.

»Das Zentrum für Digitale Diagnostik und die neue Professur für Bioanalytik und Data Science, die unser Institut mit der Universität Potsdam im Potsdam Science Park gründet, sind ein sehr wichtiger Schub für das Thema Digital Health in Brandenburg.«

Insbesondere die digitale Kompetenz des Fraunhofer IZI-BB will Antje Baeumner in den nächsten Jahren weiter stärken. Gemeinsam mit dem Institut für Informatik und Computational Science der Universität Potsdam entsteht eine neue Professur zu Bioanalytik und Data Science. Das IZI-BB leitet überdies das neue Zentrum für Digitale Diagnostik ZDD, das vom Bund und dem Land Brandenburg mit 30 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert wird, um bioanalytische Sensoren in digitale Diagnostikprozesse zu integrieren – beispielsweise zur intelligenten Wundüberwachung. Ziel des Zentrums ist es, die dezentrale Datenerfassung und KI-unterstützte Auswertung in den Bereichen Gesundheit, Lebensmittelsicherheit und Umweltanalytik voranzutreiben.

»Zusammengenommen ist das ein sehr wichtiger Schub für das Thema Digital Health in Brandenburg«, sagt Baeumner. »Wir wollen durch künstliche Intelligenz und Machine Learning einen echten Mehrwert für die Analytik schaffen – da werden sicherlich viele Firmen aufspringen, um die Innovationsmöglichkeiten zu nutzen.“

 

Die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden kofinanziert aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Brandenburg.
Text: Mirco Lomoth | Fotografie: sevens[+]maltry

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