Game Changer – „Eine Instituts-Infrastruktur ist wirklich Gold wert“

Anruf um kurz nach 10 Uhr bei peptides&elephants. Eine Mitarbeiterin ist am Telefon und sagt: „Herr Kreuzer ruft sie in 15 Minuten zurück, weil er noch kurz eine Abspaltung starten muss, ist das okay?“ Eine Abspaltung ist natürlich in Ordnung. Kurze Zeit später beginnt das Gespräch darüber, wen es in der Gründungsphase braucht, wie es weiter geht, wenn plötzlich die Finanzierung ausbleibt und welche Umstellung der Wechsel von der Wissenschaft in die Wirtschaft mit sich bringt.

Können Sie kurz erklären, was peptides&elephants macht?

Wir stellen synthetische Peptide mit einer von uns selbst entwickelten Technologie her. Und das in einer Menge, die ausrechend ist für immunologische Versuche, z. B. für den Nachweis von Antikörpern und für die Entwicklung von Impfstoffen.

Wie groß ist Ihr Team heute?

Wir sind sechs Festangestellte. Im Team arbeiten eine Chemikerin, zwei Chemielaboranten, ein Chemieingenieur, ein Biochemiker und eine Marketingspezialistin für Vertrieb und Kundenbetreuung, zudem unterstützen uns regelmäßig Chemie- und Biologiestudierende.

Welchen Weg sind Sie im Studium und danach gegangen? Warum haben Sie ein Unternehmen gegründet?

Ich habe Chemieingenieurwesen studiert und dann 2-3 Jahre bei einem großen Biotechunternehmen gearbeitet. Dort habe ich die Atmosphäre sehr genossen. Nichts war dort fertig und festgeschrieben, alles war in Bewegung. Man konnte mit Eigeninitiative viel erreichen, das gefiel mir und ich dachte: Sowas will ich selbst realisieren. Nach meiner Promotion in Potsdam bin ich darum geblieben, weil ich die Möglichkeit hatte die Firma zu gründen.

Warum die eigene Firma, wenn die Atmosphäre beim Biotechunternehmen so gut war?

Das ist wohl eine Charakterfrage. Ich habe meine eigenen Ideen und Vorstellungen. Während meiner Promotion am deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam hatte ich mich auf Peptide spezialisiert. Für die eigene Unternehmensgründung war die Gelegenheit damals günstig, zu der Zeit gab es noch den Neuen Markt, ein neues Segment der Deutschen Börse für Zukunftstechnologien.

Ihr Unternehmen gibt es seit fast 20 Jahren. Ohne wen wären Sie nicht so weit gekommen?

Ohne mich! (lacht). Eine Instituts-Infrastruktur ist wirklich Gold wert. Die Kontakte werden auch heute noch gepflegt, auch wenn Forschungsbereiche teilweise andere Namen tragen oder anders aufgegliedert sind. Letztlich ist das wie ein verzahntes Räderwerk, bei dem eins ins andere greift. Wenn man fortlaufend im Gespräch bleibt, hängt man nicht plötzlich in der Luft, sondern es kommt das nächste Rad und so geht’s dann weiter. So waren bei uns die ersten zwei Jahre: Patentberatung, Businessplanberatung, Businessplanwettbewerb und Kontakt zum ersten Business Angel, der uns ermöglicht hat die ersten Fördergelder zu beantragen. Durch das Förderprogramm „Futur2000“ erhielten wir genügend Geld für zwei Jahre, in denen wir die Technologie realisieren konnten.
Sowas ergibt sich nur, wenn man dranbleibt. Es ging auch so weiter. Eine Technologieberatungsgesellschaft hat uns beim Businessplan geholfen, beim „Tag der Beratung“ des Deutschen Patent- und Markenamts haben wir unseren Patentanwalt gefunden und über das Deutsche Institut für Ernährungsforschung haben wir Räumlichkeiten im damaligen Wissenschaftspark Golm [Anm. d. R.: heute „Potsdam Science Park“] bekommen.

Haben Sie auch schwierige Phasen erlebt?

Zunächst gar nicht, die Türen standen überall offen und viele wollten uns unterstützen. Schwierig wurde es, als wir an Venture Capitalists herantraten und dann jedoch der Neue Markt zusammenbrach und die Dotcom-Blase platzte. Damals gab es kein Geld mehr für Start-Ups, es wurde mehr in existierende Firmen investiert. Durch die Förderung i.H.v. 1,5 Millionen Euro waren wir inzwischen zu zehnt, doch als diese Finanzierung auslief hatten wir noch nicht genügend Umsätze, um die Firma in dem Maße am Leben zu erhalten. Da war die entscheidende Frage: Streichen wir jetzt das Projekt ganz oder verkleinern wir erheblich?

Wie ging es dann weiter?

Da die Technologie meine Idee war, machte ich alleine weiter. Das war 2006. Diese Zeit war schon anstrengend und ich musste selbst mit minimalem Einkommen leben – als Arbeitsloser hätte ich mehr bekommen. Ich habe also die Peptide selbst hergestellt und das Patent verkauft, auch um Verbindlichkeiten zu bedienen. Ich habe mir jedoch das Recht verhandelt, die Technologie für die Auftragssynthese zu nutzen und auch weiterentwickeln zu können. Heute sind wir ein privat finanziertes und unabhängiges Unternehmen, das von seinen Umsätzen leben kann.

Mit welcher Umstellung hatten Sie zu kämpfen, als Sie von der Wissenschaft den Weg ins Unternehmertum gewählt haben?

Mit einem Produkt in den Markt zu gehen und nicht mehr in Anträgen zu denken. Beim Schritt in den Bereich Marketing und Vermarktung, da gibt es dann keine Förderung mehr, den muss man irgendwie selber stemmen, und das ging auch bei uns nicht ohne Haken und Ösen.

Haben Sie einen Tipp, wie das besser geht?

Es ist unerlässlich, Kunden zu akquirieren, während es dem Unternehmen gut geht, also wenn man viel zu tun hat. Wenn man das nicht macht, kommt zwangsläufig eine Phase, in der man nichts zu tun hat, weil man sich nicht um neue Kunden gekümmert hat. Da hilft es eben nicht typisch wissenschaftlich zu denken im Sinne von: „jetzt habe ich ja meinen Antrag durch und Geld für zwei Jahre und bevor der abläuft schaue ich mich nach dem nächsten um.“ In einem Unternehmen muss das von Anfang an kontinuierlicher laufen, sonst sind die Brüche dramatisch. Da ist es hilfreich, wenn man sich rechtzeitig um den Kundenstamm kümmert.

Wie haben Sie damals ihren ersten Kunden gefunden?

Über die Kontakte aus unserem wissenschaftlichen Vorleben. Die ersten Kunden waren Doktoranden aus verschiedenen Instituten, die möglichst günstig Peptide für ihre Forschung brauchten. Wir haben auch mal ganz großspurig Annoncen in Fachzeitschriften geschaltet, aber das hat gar nichts gebracht. In erster Linie sind wir bei Kongressen und Fachtagungen. Also überall da, wo man Peptide gerne als Werkzeug für die Forschung einsetzt, um neue Diagnostika, Wirkstoffe und Impfstoffe zu entwickeln.

Inwiefern hat sich Ihr Geschäftsmodell seit der Gründung geändert?

Wir wollten anfangs die Technologie, also die Maschinen selbst verkaufen, haben aber dann festgestellt, dass das sehr komplex ist und die Kunden sich damit schwertun. Wir haben auch gedacht, unsere Kunden sind pharmazeutische Unternehmen, die Drug Discovery-Projekte durchführen und Wirkstoffe auf Basis von Peptiden entwickeln. Letztlich haben die Institute und vor allem die Immunologen dann uns gefunden und sind seit 5-6 Jahren unsere größten Kunden. Das liegt auch daran, dass sich der ganze Bereich enorm weiterentwickelt hat, z. B. bei der Charakterisierung von Immunantworten oder T-Cell Experimenten.

Haben Sie einen Leitgedanken, der Sie bei Ihrer Arbeit leitet?

Unmöglich ist nur, was nicht versucht wird. Wir haben hier viel mit technischen Problemen zu kämpfen. Und technische Probleme sind lösbare Probleme, wenn man es nur lange genug probiert.

Hilft Ihnen Geduld dabei?

Also geduldig bin ich gar nicht (lacht). Als Wissenschaftler eignet man sich ja zum Glück eine verhältnismäßig hohe Frustrationstoleranz an. Es hilft, diese Eigenschaft in eine Firma mitzunehmen. Und man muss wirklich wollen, also an die Idee glauben.

Ihr persönlicher Tipp für junge Gründerinnen und Gründer?

Es hilft in der Anfangsphase enorm, wenn jemand dabei ist, der oder die sich damit auskennt Anträge zu stellen und das federführend und gerne macht, damit alle anderen im Team gut zuarbeiten können. Zum Glück hatten wir so eine Person im Team und ich habe so bei allen Fördereinrichtungen eigentlich nur positive Erfahrungen gemacht.

Die Geschichte von peptides&elephants in Kürze:

• Chemieingenieur Oliver Kreuzer gründete sein Unternehmen im Jahr 2001 nach seiner Promotion am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke
• ab 2007 saß peptides&elephants im Potsdam Science Park (damals noch Wissenschaftspark Golm)
• 2017 zog das Unternehmen ins Blaue Wunder nach Hennigsdorf

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