Eine Unternehmerin und ihre Geschichte
Mit der RIPAC-LABOR GmbH hat Dagmar Köhler-Repp in der Hauptstadtregion Start-up-Geschichte geschrieben. Jetzt soll ihr Unternehmen im Potsdam Science Park weiterwachsen. Annäherung an die vielleicht spannendste Gründerpersönlichkeit Brandenburgs.
Es ist dieser Tage nicht ganz einfach, Dagmar Köhler-Repp für ein Interview zu treffen. In den Laboren von RIPAC-LABOR läuft die Arbeit auf Hochtouren. Auch für Köhler-Repp als Geschäftsführerin bedeutet dies: Viel zu tun! Für uns hat sie sich dennoch die Zeit für ein schriftliches Interview genommen:
Erfolgsgeschichte aus Potsdam-Waldstadt
Die Mikrobiologin aus Potsdam gilt als eine der spannendsten Gründerpersönlichkeiten Brandenburgs, vielleicht sogar darüber hinaus, und das in einem Business, das sonst nicht gerade vor Prestige strotzt: Der Veterinärmedizin. Mit ihrem Unternehmen, der RIPAC-LABOR GmbH, hat sie sich auf den Bereich der Infektionsdiagnostik und -prävention spezialisiert. Zu ihren Kunden gehören etwa Tierärzte, die Proben von bakteriell erkrankten Nutz- oder Zootieren einreichen. Köhler-Repp und ihr Team entwickeln dann einen passgenauen Impfstoff, der weiteren Infektionen vorbeugen soll.
RIPAC-LABOR agiert europaweit und ist in Projekten mit namenhaften Partnern wie der Universität Potsdam oder Fraunhofer-Instituten vertreten. Auch sonst kann Dagmar Köhler-Repp nicht über mangelnde Aufmerksamkeit klagen: Für ihre Arbeit wurde sie 2014 als „Unternehmerin des Landes Brandenburg“ ausgezeichnet – seitdem nehmen die Anfragen zu: Seit Juli 2020 ist sie in einem Video des Bundesfinanzministeriums zu sehen, für das sie anlässlich von 30 Jahren Währungsunion über ihren Werdegang in der Nachwendezeit erzählt. Wer über Dagmar Köhler-Repp recherchiert, bemerkt rasch ein Muster in der Berichterstattung über sie. Immer geht es um die Gründungsgeschichte von RIPAC-LABOR, ihren Einstieg in das Unternehmertum. Man versteht, warum diese Geschichte für Presse und Politik so verlockend ist. Sie ist vor allem eines: Eine klassische „Self-Made“-Geschichte. Die Gründung der RIPAC-LABOR hat alles – einfache Anfänge, Hindernisse, ein gutes Ende und eine findige Protagonistin.
Die Kurzform dieser Geschichte geht so: Dagmar Köhler-Repp ist Mitte 20 und hat gerade ihr Biologie-Diplom in der Tasche, als ihr Vater, Bernd Köhler, selbst Tierarzt und aktiv in der Bakteriologie-Forschung, ihr eine Idee unterbreitet: Während seiner Arbeit hatte Köhler erkannt, dass bestimmte Erkrankungen bei Schweinen, Enten und Hühnern wirksamer mit maßgeschneiderten Impfstoffen anstelle von Antibiotika zu bekämpfen sind. Er schlägt seiner Tochter vor, ein Privatlabor zu eröffnen und entsprechende bestandsspezifische Impfstoffe für die Nutztierhaltung herzustellen. Die Tochter willigt ein und gründet 2002 RIPAC-LABOR – im Keller ihres Elternhauses in Potsdam-Waldstadt, mit ihr selbst als einziger Mitarbeiterin.
Sie hat es nicht immer leicht, anfangs. Ihr Vater unterstützt sie bei der Akquise erster Kunden, sie kann auf seiner Erfahrung und seinem Netzwerk aufbauen. Die Banken aber, bei denen sie vorstellig wird, nehmen sie oft nicht ernst. Die junge Frau möchte bloß ein Geschäftskonto eröffnen, wird jedoch gebeten, zuerst einen Business-Plan vorzulegen. Als Köhler-Repp erklärt, sie habe keinen, weisen viele sie ab. Trotzdem setzt das Unternehmen sich bald durch. Die Nachfrage in der Industrie ist da. Schon bald kann Köhler-Repp Umsätze erzielen und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen. Von da an geht es für das Unternehmen aufwärts. 2007 zieht RIPAC-LABOR in das Innovations- und Gründerzentrum GO:IN Golm Innovationszentrum I (GO:IN I) im Potsdam Science Park – und darf als angekommen gelten.
Es ist dieser „Gründungsmythos“, der viele interessiert. Auch, weil es eine Geschichte ist, die dazu einlädt, noch über ganz andere Dinge zu sprechen: Über den Innovationsstandort Deutschland, die noch immer nicht selbstverständliche Rolle von Frauen als Unternehmenslenkerinnen, oder eben – wie zuletzt – 30 Jahre Deutsche Einheit.
Erfolgreiche Unternehmerin mit Bodenhaftung
Es ist ein angenehmes Irritationsmoment, dass Köhler-Repp sich von derartigen Erzählungen wenig anzunehmen scheint, sondern allzu schablonenhafte Interpretationen ihres Werdegangs immer wieder subtil unterläuft. Wer ihr Video zu 30 Jahren Währungsunion sieht, kann einen authentischen Auftritt bewundern: Köhler-Repp spricht kein geschliffenes Medien-Deutsch, sie ist eine authentische Erzählerin. In ihrer Einstiegs-Anekdote berichtet sie von der ersten Fahrt in den Westen mit ihren Eltern, von überfüllten Bussen, der Glienicker Brücke und dem Ku’damm mit seinen Ständen für das Begrüßungsgeld – um dann abrupt zu gestehen: „Ich habe mir das dann zum Sparen genommen. Ich habe mir da erstmal nichts gekauft.“ Ziemlich nüchtern für eine Teenagerin im Berlin der Wendezeit. Es sind derartige Momente der beharrlichen Sachlichkeit, die sie nahbar machen.
Von bescheidenen Anfängen möchte Köhler-Repp in ihrem Fall nicht sprechen. „Eher besonnen und nachhaltig.“, erklärt sie. RIPAC-LABOR sei „eine Garagenfirma im ursprünglichen Sinne“ und bis heute rein organisch gewachsen, worauf sie sehr stolz sei. Gerade dem Klischee des „Garagenunternehmers“ (männlich, smart, und immer „disruptiv“) stellt sie aber eine erfrischende Alternative entgegen – auch und weil dieses Klischee zuletzt einigen bekannten Gründern wie Steve Jobs oder Elon Musk nicht nur zugeschrieben, sondern auch von ihnen aktiv gepflegt wurde und wird. Diese Art von Selbstinszenierung ist nicht Köhler-Repps Ding. Zwar finde sie die persönliche Aufmerksamkeit schmeichelhaft, sie zeige ihr aber vor allem, „[…] dass die Entscheidungen und Entwicklungen, die wir für das Unternehmen getroffen und gemacht haben, die Richtigen waren“. Lieber spricht sie über die Leistungen anderer: Es gibt praktisch kein Interview mit ihr, indem sie nicht auf die wichtige Rolle ihres Vaters bei der Gründung und dem anhaltenden Erfolg von RIPAC-LABOR verweist. Über ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sagt sie: „Rein wissenschaftlich war unser Team von Beginn an sehr gut aufgestellt. Herausfordernd war eher, aus den Vollblutwissenschaftler*innen auch unternehmerisch agierende Mitarbeiter*innen zu machen. Aber ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg“. Auch, dass ihr Mann früh in die Geschäftsführung mit eingestiegen sei, habe geholfen. So habe sie Unternehmerin und Mutter sein können: „Wir haben einen guten Weg gefunden, Unternehmen und Familie miteinander zu verbinden.“
Aufbruchstimmung im Potsdam Science Park
Zudem habe der Potsdam Science Park ihr einige Möglichkeiten eröffnet: „Persönlich bin ich tief in Potsdam verwurzelt. Was lag also näher, als mit RIPAC-LABOR hier zu bleiben?“, erklärt sie: „Und für eine junge Firma bietet ein technologie-orientiertes Innovationszentrum die beste Infrastruktur: Wir konnten uns auf das Wesentliche konzentrieren und hatten trotzdem optimale Umgebungsbedingungen, sowie bei Bedarf genügend Raum zum Wachsen“. Auch für die Personalbeschaffung sei die Lage in der Hauptstadtregion von Vorteil. Viele junge Menschen ziehe es nach Berlin. Zudem sei der Potsdam Science Park ein attraktiver Ort zum Arbeiten: „Man kommt gerne her. Alles ist grün, großzügig, offen und modern. Wir schätzen das interkulturelle Miteinander, was durch die wissenschaftlichen Einrichtungen geprägt wird.“ Die laufende Erweiterung des Parks stimme sie positiv. RIPAC-LABOR gehöre mittlerweile zu den alteingesessenen Unternehmen: „2007 war es deutlich ruhiger“. Im Technologie- und Gründerzentrum GO:IN habe es damals einige junge Firmen und einen guten Austausch gegeben. Das sei heute noch so, aber es gebe eine neue Aufbruchstimmung: „Mit einem Blick aus dem Fenster sehen wir täglich, dass Neues entsteht“. Köhler-Repp betont: „Wir sind gespannt auf die nächste Phase“, und endet dann mit einer für sie typischen Pointe: „Und freuen uns, wenn der Baulärm irgendwann zumindest wieder ein wenig abebbt“.
Vorher wird ihr Unternehmen aber selbst dafür sorgen, dass es noch eine Weile laut bleibt: RIPAC-LABOR ist das erste Unternehmen, das ein 1,1 Hektar großes Grundstück im Technology Campus des Potsdam Science Park gekauft hat. Hier plant es seinen neuen Hauptsitz, für mehr als 100 Mitarbeiter*innen – und mit der Option auf Erweiterung. Die Firma will sich weiterentwickeln und seine Position im Markt ausbauen. Große Pläne also. Dagmar Köhler-Repp wird sie wohl angehen, wie immer: Besonnen und nachhaltig.
Foto 1: Dagmar Köhler-Repp © Phil Dera
Foto 2: RIPAC-Labor © Phil Dera
Dieser Blog und die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert.
Kontakt
Karen Esser
Referentin PR & Kommunikation
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