
3 Fragen an All About Accuracy: »Wir müssen die Chip-Produktion in Europa dringend steigern«
Dr. Yori Fournier ist Mitgründer des Startups All About Accuracy, das mit einer in Brandenburg entwickelten Technologie den Markt für Sensoren aufmischen will. Die Mikrochips, die All About Accuracy im Potsdam Science Park zur Marktreife bringt, erlauben eine hochpräzise und verlässliche Ortung für Roboteranwendungen in der Industrie. Im Interview spricht Dr. Yori Fournier über die Stärken des Brandenburger AAA-1001-Sensors und die Aufgabe, Europa zu einem Zentrum der Mikrochip-Produktion zu machen.
Mit Ihrem Startup All About Accuracy entwickeln Sie eine neue Klasse von Sensoren, die eine äußerst präzise Ortung ermöglicht. In welchen Bereichen könnte Ihre Technologie künftig Anwendung finden?
Die Sensoren von All About Accuracy ermöglichen eine Ortung mit Millimetergenauigkeit – und das in Echtzeit. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo Präzision entscheidend ist. Etwa in der Industrierobotik, bei autonomen Transportsystemen oder Roboterarmen. Auch in der Gesundheitslogistik sorgen sie für zuverlässigen Medikamententransport. In der Agrarrobotik ermöglichen sie die genaue Zusammenarbeit zwischen Drohnen und Gewächshausrobotern – selbst dort, wo GPS versagt.
Damit solche Systeme wirklich zuverlässig funktionieren, braucht es eine Ortung, die so präzise und stabil ist, wie sie sonst nur der Mensch durch seine Sinne und Erfahrung leisten kann. Aktuelle Lösungen setzen dabei häufig auf Lasermessung oder Kameras, die die Umgebung visuell erfassen. Diese passiven Systeme können zwar viele Aufgaben bewältigen, geraten aber schnell an ihre Grenzen – etwa bei ungünstigen Lichtverhältnissen, reflektierenden Oberflächen oder extremen Umwelteinflüssen.
Unsere Technologie setzt genau dort an: Sie ergänzt bestehende Systeme und kann diese oft vollständig ersetzen. Unsere Sensoren basieren auf aktiver funkbasierter Abstandsmessung. Die Distanz zwischen zwei Transceivern wird durch die Messung der Zeit bestimmt, die ein Signal benötigt, um vom Sender zum Empfänger zu gelangen. Diese Zeit wird mit der Lichtgeschwindigkeit multipliziert, um die genaue Entfernung zu berechnen. So messen wir Distanzen mit hoher Genauigkeit – zum Beispiel zwischen einer Drohne und einem Gewächshausroboter. Erkennt die Drohne Unkraut, können sich die Gewächshausroboter präzise orientieren, um es gezielt zu entfernen. Die Kommunikation über Funk erfolgt nahezu ohne Verzögerung. Unsere Sensoren sind wartungsfrei, benötigen keine Kalibrierung und sind kostengünstiger sowie energieeffizienter als passive Systeme.
Welche Technologie steckt hinter der Präzision Ihres AAA-1001-Sensors und wie haben Sie diese entwickelt?
Unsere Sensoren basieren auf der Impulse Radio Ultra-Wide Band (IR-UWB) Technologie. IR-UWB, ist eine Funktechnologie, bei der extrem kurze, energiearme Impulse über ein sehr breites Frequenzspektrum gesendet werden. Durch diese Impulse lassen sich Zeitdifferenzen im Nanosekundenbereich messen – und damit auch Entfernungen mit außergewöhnlich hoher Präzision.
Die meisten IR-UWB-Sensoren messen Abstand mit einer Genauigkeit von 10 bis 60 Zentimetern – unser System misst bis zu fünf Millimeter genau. Alle Komponenten – vom Chip über die Leiterplatte bis zu den Algorithmen – wurden von unserem Team und teils in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) in Frankfurt (Oder) entwickelt. Dadurch beherrschen wir das Sensor-Design auf allen Ebenen. Von Anfang an haben wir auf höchste Präzision und Zuverlässigkeit gesetzt. Wir optimieren Hardware und Software gezielt auf exakte Abstandsmessung – und nehmen dafür bewusst einen leicht höheren Energieverbrauch in Kauf. So liefert unser Sensor auch unter schwierigen Bedingungen stabile und verlässliche Ergebnisse.
Unser Team bei All About Accuracy hat sich durch eine Reihe glücklicher Zufälle gefunden. Ich selbst bin Astrophysiker und Maschinenbauingenieur und habe unter anderem an europäischen Raumfahrtprojekten wie der Ariane 5 mitgearbeitet. Zur Ortungstechnologie kam ich eher zufällig: Gemeinsam mit einem Freund wollte ich eine Augmented-Reality-Software entwickeln – und merkte schnell, dass es keinen Sensor gab, der dafür präzise genug war.
Also entwarf ich ein Konzept für einen passenden Chip und suchte Partner für die Umsetzung. Dabei stieß ich auf Dr. Denys Martynenko und Dr. Gunter Fischer vom IHP in Frankfurt (Oder). Sie hatten bereits einen Chip entwickelt, der genau zu meiner Idee passte. Gemeinsam beschlossen wir, diese Technologie weiterzuentwickeln und zur Marktreife zu bringen.
Derzeit arbeiten wir an einem Development Kit, das wir im Juni 2025 an fünf Pilotkunden ausliefern werden. Mit diesem Kit können unsere Kunden den Sensor für ihre Roboteranwendungen in Krankenhäusern oder in der Landwirtschaft einsetzen und uns wertvolles Feedback liefern. Auf Basis dieses Feedbacks wird unser erstes Produkt entstehen, das ab 2026 in Serie produziert werden soll. Zusätzlich haben wir weitere Designs in der Pipeline, die unter anderem auf Ideen aus der Quantentheorie basieren und beispielsweise für die Satellitenkommunikation im Weltall genutzt werden könnten.
Momentan stammen nur zehn Prozent aller Mikrochips aus Europa, was den innovativen Sektor dazu zwingt, seine Produktion zunehmend außerhalb der EU anzusiedeln. Diese Abhängigkeit von asiatischen und amerikanischen Chip-Fabriken stellt in turbulenten Zeiten ein erhebliches Risiko dar. Wir müssen die Chip-Produktion in Europa dringend steigern, um unsere Sicherheit und technologische Unabhängigkeit zu stärken. Für uns als Technologie-Startup ist es sehr wichtig, dass die EU erkannt hat, wie bedeutend eine eigenständige Chipproduktion ist, und daher erhebliche Investitionen in die Chipherstellung sowie in Neugründungen tätigt.
Mit All About Accuracy wollen Sie von Brandenburg aus einen Beitrag zur europäischen Chip-Entwicklung leisten. Weshalb haben Sie beschlossen, im Potsdam Science Park zu gründen und was planen Sie für die Zukunft?
Es war uns sehr wichtig, die Firma in Brandenburg zu gründen, weil der Sensor in diesem Bundesland entwickelt wurde. Wir wollen hier Arbeitsplätze schaffen und die Technologieentwicklung voranbringen. Ich kenne den Potsdam Science Park schon lange, weil ich Astrophysik an der Universität Potsdam studiert und in Golm gewohnt habe. Jetzt lebe ich mit meiner Familie in der Nähe von Potsdam, genauso wie mein Kollege Denys Martynenko. Wir haben viele Kontakte in der Region, was uns bei der Gründung sehr hilft. Der Potsdam Science Park ist für uns der perfekte Ort, weil hier Forschung und Unternehmen in Bereichen wie Medikamentenentwicklung, Landwirtschaft und Chemie zusammenkommen. Für alle diese Branchen wird Robotisierung und damit unsere Technologie in Zukunft immer wichtiger werden.
Das Team vom Potsdam Science Park hat uns von Anfang an sehr willkommen geheißen und uns geholfen, in Golm Fuß zu fassen und uns zu vernetzen. Die regelmäßigen sozialen Events und Matchmaking-Angebote sind dafür ideal und an die Bedürfnisse von Start-ups angepasst. Ein großer Pluspunkt ist auch, dass wir im Innovationszentrum GO:IN bezahlbare Büros und Laborräume mieten sowie Geräte in Forschungsinstituten mitnutzen können. Der Potsdam Science Park bietet uns damit gute Voraussetzungen, um flexibel zu wachsen. In Zukunft wollen wir hier eine eigene Produktion aufbauen und rund 20 Mitarbeitende anstellen. Brandenburg hat viel Potenzial im Bereich Elektronik und Halbleitertechnik – insbesondere durch exzellente Forschungseinrichtungen wie das IHP in Frankfurt (Oder). Wir wollen dazu beitragen, dass hier ein Ökosystem entsteht, das Innovationen aus der Forschung schneller in marktfähige Produkte überführt, Hightech-Arbeitsplätze schafft und die technologische Souveränität Europas stärkt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website von All About Accuracy.
Dieser Blog und die von der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park durchgeführten Projekte werden von der Europäischen Union und dem Land Brandenburg gefördert.