3 Fragen an Mimi-Q: »Wir können Medikamente schneller, kostengünstiger und effektiver entwickeln – ohne den Einsatz von Tierversuchen«

Noch immer spielen Tierversuche für die Zulassung neuer Medikamente eine wesentliche Rolle. Das Startup Mimi-Q hat ein Testverfahren entwickelt, das die Lücke zwischen Grundlagenforschung und klinischen Studien schließt und solche Versuche zukünftig ersetzen und so deutlich reduzieren könnte. Im Interview spricht Gründer Dr. Andrey Poloznikov über die Idee hinter Mimi-Q, wie das Verfahren des Unternehmens die Medikamentenentwicklung beschleunigen könnte und wie es vom Potsdam Science Park profitiert.

Herr Dr. Andrey Poloznikov, Sie haben lange als Spezialist für Biotechnologie und Tumorbiologie in der klinischen Medikamentenentwicklung gearbeitet, speziell in der Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs. Was hat sie motiviert, Mimi-Q zu gründen?

Während meiner Arbeit erkannte ich, wie groß die Lücke zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung in den Kliniken weiterhin ist. In der Grundlagenforschung wird die Wirkung neuer oder weiterzuentwickelnder Medikamente normalerweise bei einer konstanten Wirkstoffkonzentration über einen bestimmten Zeitraum hinweg getestet. Im menschlichen Körper verhält es sich aber anders: Die Wirkstoffkonzentration von Medikamenten bleibt im Körper nicht immer gleich. Das bedeutet also, dass die tatsächliche Wirkung im menschlichen Körper in den frühen Phasen der Medikamentenentwicklung noch gar nicht abgebildet wird. Da sich die Konzentration eines Medikaments mit der Filtration durch die menschlichen Organe über die Zeit verändert, braucht es den komplexen Weg über Tierversuche und klinische Studien, um die Effizienz und Sicherheit eines Medikaments zu belegen. Diese große Lücke zwischen den frühen Stufen der Medikamentenentwicklung, bei der im Labor geforscht wird, und den späten Stufen, in denen an Organismen wie Tieren oder Menschen getestet wird, führt zu vielen Problemen, weil so kein realistisches Bild der Verstoffwechselung im menschlichen Körper entsteht. Außerdem benötigt man viel Zeit und Geld, dabei könnte es viel effizienter vorangehen. Deshalb basiert unsere Idee von Mimi-Q darauf, das Verhalten von Medikamenten im Körper zu imitieren.

Was genau ist das Besondere an Ihrem Ansatz der Medikamentenentwicklung?

Unser Ansatz ist im Grunde recht einfach: Wir können Annahmen über Medikamente oder Optionen für deren Verabreichung bereits im Labor testen, daraus ein passendes Protokoll herleiten und verbessern. In einfachen Plastikröhrchen siedeln wir dazu Zellen an und geben dann eine Medikamentenlösung hinzu, die wir dort für eine bestimmte Zeit inkubieren. Mithilfe einer von uns entwickelten Software simulieren wir dann klinische Behandlungsabläufe bei uns im Labor. So imitieren wir die Wirkungsweise des Medikaments im Körper – und das mit Erfolg: In Experimenten mit unseren europäischen Partner-Kliniken konnten wir nachweisen, dass wir in 95 % der Fälle vorhersagen konnten, wie ein Medikament sich verhält. Das übertrifft alle aktuell auf dem Markt verfügbaren Tests.

Für die Arzneimittelzulassung ermöglichen wir mit unserem Ansatz neue Möglichkeiten und zudem können wir zum Beispiel Antworten auf Fragen zu den Dosierungen eines Medikaments finden. Ob eine Person einmal am Tag eine große Pille einnimmt oder zweimal am Tag eine kleinere Dosis – das macht einen Unterschied in der Effizienz und Toxizität einer Behandlung. Mit unserer Methode können wir die beste Art der Verabreichung in kurzer Zeit und mit verhältnismäßig wenig Aufwand testen.

Ein großer Vorteil ist, dass wir Tierversuche weitgehend ersetzen können. Diese sind nicht nur aus ethischen Gründen ein Problem: Tiere sind keine Menschen, deshalb ist die Ergebnisübertragbarkeit immer schwierig. Unser Ansatz ist deutlich besser auf den Menschen übertragbar. Zudem können wir die Wirkweisen in unterschiedlichen Personengruppen imitieren und so beispielsweise herausfinden, wie ein Medikament bei Kindern verstoffwechselt wird.

Sie sind seit kurzem mit Ihrem Unternehmen im Innovationszentrum GO:IN im Potsdam Science Park ansässig. Welche Vorteile bietet der Standort Mimi-Q?

Bisher waren wir in einem Berliner Co-Working-Space ansässig, dort fehlten uns jedoch die Möglichkeiten zum Networking mit anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Ein persönlicher Bekannter, der ebenfalls im Potsdam Science Park arbeitet, machte uns auf den Standort und seine besondere Eignung, gerade für wissenschaftsgetriebene Startups, aufmerksam. Das hat uns bewogen, hierher zu wechseln. Wir sind daher sehr froh, mit unseren Räumlichkeiten im GO:IN 1 genau den richtigen Ort für uns gefunden haben. Unsere Ideen mit anderen zu teilen und Feedback zu erhalten, ist für uns sehr wichtig. Derzeit erfahren wir sehr viel Unterstützung hier im Potsdam Science Park und haben in kürzester Zeit einige Unternehmen gefunden, die mit uns kooperieren möchten. Das haben wir auch den Community-Events wie »Business and Beer«, der PSP Conference und anderen Networking-Veranstaltungen des Potsdam Science Parks zu verdanken. Nun suchen wir noch nach einem Labor zur gemeinsamen Nutzung. Wir sind uns sicher, dass das sehr bald klappen wird, und sind sehr zufrieden mit der Entscheidung, uns hier angesiedelt zu haben.

Herr Dr. Poloznikov, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Dieser Blog und die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert. Bildnachweis: Dr. Andrey Poloznikov ©Standortmanagement Golm GmbH

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