Eine Universitätsschule in Potsdam-Golm: Ein wichtiger Schritt zur Bildungsgerechtigkeit – Prof. Dr. Nadine Spörer

An der Universität Potsdam ist Innovation kein Fremdwort. Offen für Neues, wird derzeit im Projekt „Innovative Hochschule Potsdam“ die erste brandenburgische Universitätsschule konzipiert. Doch was ist eine Universitätsschule? Warum ist Potsdam-Golm mit seinem Science Park der richtige Ort dafür? Und was könnte diese Schule für die Region Berlin-Brandenburg leisten? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Nadine Spörer, Professorin für Psychologische Grundschulpädagogik an der Universität Potsdam. Als Leiterin des „Bildungscampus“ im Projekt „Innovative Hochschule Potsdam“ erklärte sie uns Einzelheiten zur Planung und ihre Beweggründe, eine neue Schule zu entwerfen.

Das Modell sieht eine Verknüpfung von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit pädagogischen Lehrpraktiken und schulischen Inhalten vor. „Innerhalb dieses Konzepts gibt es eine sehr enge institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen der Schule und der Universität“, so Nadine Spörer. Während sich einige bereits existierende Universitätsschulen als Ausbildungsschule verstehen und neuartige Verbindungen zwischen Theorie- und Praxisphasen der Lehramtsausbildung erproben, konzentrieren sich andere auf die Anwendung und wissenschaftliche Begleitung innovativer pädagogischer Konzepte.

Die künftige Universitätsschule in Potsdam-Golm sieht sich als lehrende und lernende Institution mit einem Schwerpunkt auf dem Wissenstransfer. „Die Universitätsschule wäre ein wichtiger Schritt für das Bildungsland Brandenburg, weil hier neue pädagogische Konzepte direkt umgesetzt und wissenschaftlich begleitet werden könnten. Der Transfergedanke gehört sozusagen zur DNA einer Universitätsschule, denn es wird von Anfang an mitgedacht, in welchen Strukturen und Prozessen der Austausch zwischen Universität und Schule am besten gelingen kann. Wenn wir es z. B. schaffen, Konzepte zu implementieren, die die Bildungsungleichheiten abbauen, dann hat dies letztlich auch positive Auswirkungen auf die Region Berlin-Brandenburg“, prognostiziert die Wissenschaftlerin.

Große Visionen zum Leben erwecken
Die Arbeit am Rahmenkonzept, mit dem die Universitätsschule zum Leben erweckt werden soll, wurde Anfang des Jahres 2020 offiziell gestartet. In verschiedenen Arbeitsgruppen tauschen sich Forschende, Lehrkräfte und Studierende regelmäßig darüber aus, wie die Grundideen umgesetzt werden können. „In der Pädagogik gibt es schon lange den Traum von einer Schule, die Inklusion, Heterogenität und differenziertes Lernen fördert. Als öffentliche Schule soll die neue Universitätsschule grundsätzlich allen offenstehen, von der ersten bis zur 13. Klasse.

Wir müssen dafür sorgen“, so Nadine Spörer, „dass Kinder aus allen sozialen Schichten die gleichen Chancen auf eine bestmögliche Ausbildung haben. Eines der Ziele muss es sein, Kinder aus verschiedenen familiären Hintergründen zusammenzubringen und sie gemeinsam in einer Schule lernen zu lassen – damit sie auch voneinander lernen“, so die Professorin. Viele Städte seien sozial segregiert. Die ungleiche Verteilung verschiedener Bevölkerungsgruppen – etwa wohlhabender und benachteiligter Familien – auf einzelne Stadtteile habe Konsequenzen für das Lernen an einer Schule, so Spörer.

Die Universitätsschule soll nicht nur das gemeinsame Lernen ermöglichen, sondern auch jedes Kind nach seinen individuellen Fähigkeiten fördern. Dafür soll es unterschiedliche Lernräume geben, in denen die Kinder nach eigenem Ermessen Zeit mit verschiedenen Lerninhalten verbringen können. Wandelbare Räume, Ateliers und Werkstätten sollen den Unterricht flexibel gestalten und über den Schulunterricht hinaus für Kurse genutzt werden können. Das Konzept bietet Raum für neue Lehr- und Lernpraktiken, um jedem Kind die Chance zu geben, sich den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend weiterzuentwickeln.

Die Schule soll hier im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen und deshalb viele verschiedene Menschen und lebensweltliche Aspekte einbeziehen. So könne der Handwerker von nebenan oder die Köchin aus der Mensa Teil des Lernprojekts werden, damit die Schülerinnen und Schüler auch von ihnen lernen können. „Hier wird Schule zum Begegnungsort für Kinder und Eltern, für die Menschen aus der Stadt, aus den wissenschaftlichen Institutionen und der Universität“, sagt Katrin Völkner, die als Expertin für den Wissenstransfer in der Bildung im Projekt aktiv ist. „Neben klassischen Unterrichtsmethoden wird es in der Universitätsschule viel Raum für Diskussionsrunden, Lerngruppen und eigenständige Projektarbeit geben. Und um für jedes Kind optimale Lernbedingungen zu schaffen, werden die Lehrkräfte eng mit Psychologen sowie Sozial- und Förderpädagogen zusammenarbeiten“, erklärt sie.

Potsdam-Golm: Wo Innovationen wachsen können

Die Universität Potsdam ist die einzige lehrerbildende Hochschule im Land Brandenburg. Wenn die Universitätsschule Wirklichkeit wird, können die Studierenden im Verlauf ihres Studiums die Schülerinnen und Schüler im Unterricht begleiten und so ihre schulische Entwicklung verfolgen. „Eine Verzahnung des Schulalltags an der Universitätsschule mit dem Studienalltag an der Universität könnte ein guter Weg sein, um die Attraktivität der Ausbildung weiter zu erhöhen“, meint Nadine Spörer. „Das funktioniert aber nur dann nachhaltig gut, wenn die räumliche Nähe gegeben ist. Deshalb ist es unser oberstes Ziel, die Universitätsschule nach Golm zu bringen.“

Die natur- und humanwissenschaftlichen Fachbereiche bieten ein perfektes Umfeld. Durch die Verortung am Campus Golm der Universität Potsdam hätten Schülerinnen und Schüler direkten Zugang zu universitären Einrichtungen wie der Bibliothek, dem Musikinstitut und der Sternwarte. Und nicht nur das, die außeruniversitären Forschungsinstitute der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft im Potsdam Science Park liegen ganz in der Nähe, was mögliche Partnerschaften und gemeinsame Aktivitäten attraktiv und praktisch macht.

Die Zukunft der Universitätsschule. Wie geht es nun weiter?

Die Pandemie hat das Projekt bislang nicht negativ beeinflusst. Mit digitalen Werkzeugen konnte das diskussionsfreudige Konzeptteam seine Kommunikation erstaunlich unkompliziert fortsetzen. Allerdings habe dies auch die Relevanz digitaler Arbeitsmethoden in der Schule verdeutlicht. Die Universität Potsdam sieht sich als Vorreiter für mediengerechte Lehrpraktiken, die einen hohen Stellenwert an der Universitätsschule einnehmen sollen. „Wer heute zur Schule geht, muss sich souverän zwischen analogen und digitalen Welten hin- und her bewegen können. Deshalb werden neben klassischen Unterrichtsinhalten auch die neuen Kulturtechniken gelehrt“, so Katrin Völkner.

Bis Ende des Jahres 2020 soll das Konzept für die neue Schule stehen und den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung vorgelegt werden. Da es eine öffentliche Schule werden soll, steht das Team in engem Austausch mit der Landeshauptstadt Potsdam sowie dem Bildungs- und dem Wissenschaftsministerium des Landes Brandenburg. Das Interesse der Öffentlichkeit ist beträchtlich. „Wir sind das Denklabor für die Schulen der Region“, sagt Nadine Spörer. „Zugleich brauchen wir den Erfahrungsschatz aus der Schulpraxis, Vorschläge aus Wirtschaft und Politik, Hinweise von Eltern und natürlich die Ideen der Schülerinnen und Schüler.“

Dieser Blog wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert.

Foto: Prof. Dr. Nadine Spörer © Universität Potsdam

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