„Es ist sehr erfüllend, Karriere in der Physik zu machen“ – Interview mit Prof. Safa Shoaee
Die Physikerin Prof. Safa Shoaee gehört weltweit zu den renommiertesten Forscherinnen auf dem Gebiet der organischen Solarzellen. Nach ihrem Studium in London und Queensland hat sie 2016 den Sofja-Kovalevskaja-Preis erhalten und forscht seitdem an der Universität Potsdam im Potsdam Science Park. Mit Dieter Neher, Professor für Physik weicher Materie, konnte sie hier die weltweit effizientesten 1 cm2 großen organischen Solarzellen herstellen. Ein Gespräch über grüne Technologien und den Weg, als Frau Karriere in der Physik zu machen.
Frau Prof. Shoaee, Sie befassen sich seit rund 13 Jahren mit organischen Materialien für Solarzellen. Was hat Sie angetrieben, sich diesem Forschungsschwerpunkt zu widmen?
Es gab da so einen Moment, als ich ein Kind war. Ich habe Fernsehen geschaut und sah eine Sendung. Es ging um einen Architekten, der hatte ein beeindruckendes Haus an einem Ort mit viel Sonne und betrieb dort fast alles über Solarzellen. Als ich das sah, dachte ich mir: Das Haus will ich unbedingt haben, dann kann ich alles mit Solartechnik betreiben (lacht).
Wie würden Sie einem wissenschaftlichen Laien Ihre Forschung erklären?
Ich versuche, die physikalischen Prozesse in organischen Halbleitern, also organischen Stoffen mit elektrischer Leitfähigkeit, und organischen Materialien zu verstehen. Mein Schwerpunkt ist das Verständnis dieser Systeme für optoelektronische Anwendungen. Eine solche Anwendung kann zum Beispiel eine Solarzelle sein oder auch Sensoren und vieles Weitere. Erste Forschungsarbeiten dazu gab es vor einigen Jahrzehnten, als Physiker*innen anfingen, sich für farbige Moleküle in organischen Hableitern zu interessieren.
Was ich daran sehr interessant finde: Fast alles, was die Natur bunt macht, hat aus einem bestimmten Grund eine Farbe. Oft dienen diese Farben dazu, das Sonnenlicht besser zu absorbieren. Was wir also in unserer Forschung im Wesentlichen tun, ist, die Natur nachzuahmen, um organische Materialien mit bestimmten Farben herzustellen und die physikalischen Prozesse hinter diesen Materialien zu verstehen, um eine Solarzelle oder andere optoelektronische Geräte zu entwickeln.
Was ist aus Ihrer Sicht der Vorteil von organischen Materialien?
Organische Materialien haben das Potenzial, eine leichtere Version der Silizium-Halbleiter zu sein. Aber organische Solarzellen werden sich als weitaus vielseitiger beweisen, wenn es um Flexibilität, (geringes) Gewicht und Farbe geht. Zudem sind in den aktuellen Solarzellen hauptsächlich kristallines Silizium verbaut, welche bei künstlichem Licht schlechtere Leistung bringen als bei direktem Sonnenlicht. Nichtsdestotrotz werden traditionelle Solarzellen aus Silizium weiterhin wichtig für die überwiegend kommerzielle Stromerzeugung sein. Silizium hat also deutliche Nachteile und organische Halbleiter können einen großen Beitrag in Haushalts- und IoT-Geräten (Internet of Things) leisten. Wenn sie optimal funktionieren, können sie auch weitaus günstiger hergestellt werden.
Organische Materialien, das klingt ein bisschen abstrakt. Woraus bestehen die Materialien und wie werden Sie hergestellt?
Die organischen Materialien bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Auf der chemischen Seite bedeutet das, dass z. B. aus bestimmten kleinen Molekülen, sogenannte Monomeren Polymere, also größere Moleküle synthetisiert werden. Das ist ein hochkomplexer Vorgang, den wir selbst nicht leisten können. Da gibt es Firmen und Forschungseinrichtungen, die darauf spezialisiert sind, diese Materialien zu synthetisieren. Wir sehen unsere Aufgabe auch nicht darin, diese herzustellen, sondern darin, zu verstehen, wie die organischen Halbleiter funktionieren, wie ihre Moleküle aufgebaut sind und was deren Eigenschaften sind.
Organische Halbleiter absorbieren Licht besser, sie erzeugen aber weniger Energie und sind weniger stabil. Gibt es hier überhaupt eine Chance, dass sie einen Massenmarkt erreichen werden?
Aktuell sind organische Solarzellen noch nicht marktreif. Aber uns ist in der Forschung ein Durchbruch gelungen, und wir haben neue Meilensteine erreicht, was die Effizienz angeht. Der Wirkungsgrad liegt aktuell über 18 Prozent. Aber wir kennen nun das Potenzial und können einschätzen, was in den nächsten Jahren möglich ist. Eine kommerzielle Nutzung rückt näher und näher. Ich sehe viel Potenzial für den Markt.
Wie ist der aktuelle Stand Ihrer Forschungsarbeit? Was möchten Sie in den nächsten fünf Jahren erreichen?
Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir bis heute erreicht haben. Die Infrastruktur, die wir haben, ist absolut großartig. Ich arbeite mit Diether Neher zusammen, der seit über 20 Jahren hier forscht. Mit meinem Labor und seinen Räumlichkeiten haben wir genügend Laborflächen für unsere Forschung. In dieser Zusammenarbeit haben wir 2019 die damals weltweit effizienteste, 1 cm2 große organische Solarzelle hergestellt. Sie wurde im gleichen Jahr zertifiziert und hielt den Rekord bis 2020. Was ich in den nächsten Jahren weiter vorantreiben will: die Effizienz weiter zu steigern durch das Verständnis zu physikalischen Prozessen hinter den Materialien.
Sie haben in London studiert und haben an der University of Queensland (Australien) geforscht. Seit 2016 sind Sie an der Universität Potsdam. Was hat Sie hierher in den Potsdam Science Park gelockt?
Es gab zwei Gründe. Erstens: Ich hatte die Ehre, mit dem Sofja Kovalevskaja-Award ausgezeichnet zu werden. Der Award eröffnete mir die großartige Chance, mit Fördermitteln eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. Mit dem Preis war auch ein Aufenthalt in Deutschland verbunden. Dann kam der zweite Grund hinzu: Prof. Diether Neher. Er ist seit 20 Jahren mit seiner Forschung in dem Bereich der Solarzellen etabliert und weltweit hochanerkannt. Selbst in Queensland kannte man seinen Namen. Von ihm wollte ich Neues lernen, seine Forschung mit meiner Forschung verbinden und so unsere Erkenntnisse auf eine neue Stufe heben.
Wie international ist die Forschung im Potsdam Science Park im Vergleich zu anderen Ländern und Städten?
Der Potsdam Science Park ist sehr international aufgestellt. Das hatte mich tatsächlich überrascht. Natürlich ist es nicht so international wie in London oder Queensland, aber das liegt mit Sicherheit auch daran, dass dort ohnehin die Landessprache Englisch ist.
Was ist ihr Eindruck: Wird hier Forschung anders betrieben als in anderen Ländern?
Da gibt es tatsächlich Unterschiede. Die Deutschen forschen anders. Sie beschäftigen sich viel mit grundlegenden Fragestellungen und gehen bei ihrer Forschung mehr in die Tiefe. Das ist eine ganz andere Herangehensweise, als die Erfahrungen, die ich am ICL (Imperial College London, Anm. d. Red.) oder an der UQ (University of Queensland, Anm. d. Red.) gesammelt hatte. Bemerkenswert ist auch, dass Laboreinrichtungen und Experimente immer neu aufgebaut werden, anstatt fertige Setups zu kaufen. Das ist ein großer Kontrast.
Die Frauenquote in naturwissenschaftlichen Fächern und in Führungspositionen ist oft noch gering. Sehen Sie hier eine Veränderung? Was würden Sie jungen Wissenschaftlerinnen raten?
Als Frau mit iranischen Wurzeln sehe ich das anders. Im Iran studieren interessanterweise mehr Frauen Physik (und Mathe) als Männer. Für mich ist es wichtig, dass sich in der Wahrnehmung von jungen Frauen Mädchen von klein auf etwas ändert. Sie sind in Physik genauso fähig wie Jungen. Es gibt kein Physik-Gen bei Jungen, das bei Mädchen fehlt. Es ist alles eine Frage der Gesellschaft und des Umfelds, sowohl in Bezug auf das, was Mädchen erzählt wird, wenn sie aufwachsen, aber auch in Bezug auf die Sichtweise und die Erwartungen der Gesellschaft an eine Frau.
Frauen sollten nicht denken, dass sie etwas nicht studieren können. Was mir in meinem Leben bewusst geworden ist, dass man für seine Ziele arbeiten muss.
Es ist sehr erfüllend, eine Karriere in der Physik zu haben (oder irgendetwas, wofür man eine Leidenschaft hat). Es gibt keinen Grund, warum Frauen das nicht anstreben sollten. Eine Führungsposition einzunehmen ist aber etwas anderes als zu studieren und dafür brauchen wir grundlegendere Veränderungen in der Gesellschaft.
Frau Prof. Shoaee, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Dieser Blog und die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert.
Foto 1: Prof. Dr. Safa Shoaee © Karla Fritze
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