Game Changer – „Die Gründung in der Garage hätte für uns nicht funktioniert“
Dropnostix hat ein Monitoring-System entwickelt, um die Gesundheit von Kuhherden zu überwachen. Wir haben mit den beiden Gründern darüber gesprochen, wie Sie auf die Kuh kamen, welche Kehrtwenden Sie als Unternehmer bereits vollzogen haben und worauf es gerade in der Anfangsphase einer Gründung ankommt.
Zunächst: Wie kamen Sie auf die Kuh?
Breitenstein: Ich beschäftige mich schon seit 20 Jahren mit Elektronik, das habe ich mir selbst beigebracht. Nach meinem Studium an der Uni Potsdam habe ich am Fraunhofer IBMT in Biochemie promoviert. Dort kam ich dann in Kontakt mit Biosensorik – durch Schwangerschaftstests für Kühe. Diese beiden Bereiche zu verbinden, also Biochemie und Elektronik, schien mir naheliegend. In einem Workshop der Uni Potsdam habe ich dann Lars kennengelernt und wir hatten zunächst die Idee, gemeinsam einen neuartigen Schwangerschaftstest für Kühe zu entwickeln.
Ein anderes Produkt also als das, mit dem Sie jetzt auf den Markt gegangen sind. Wie kam es zu dieser Wende?
Breitenstein: Ein Tierarzt riet uns damals von den Schwangerschaftstests ab, da wir damit gegen die großen Konzerne, also Labore und Laborgerätehersteller, keine Chance haben würden. Er gab uns aber zum Glück auch den entscheidenden Tipp: bestehende in-vivo Sensoren für Milchkühe waren zu der Zeit maximal 60 Tage funktionsfähig – aber danach lebt die Kuh ja noch einige Jahre!
Abraham: Unser Anspruch war es darum, als Produkt einen Sensor zu entwickeln, der über mehrere Jahre funktioniert. In den ersten Monaten haben wir dann jedoch feststellen müssen: auf den pH-Wert zu setzen, also auf ein regelmäßig zu kalibrierendes Messprinzip, kann nicht zu einem langzeitstabilen, in-vivo Monitoringsystem für Milchkühe führen. Daraufhin haben wir unsere eigene, physikalische Messmethodik entwickelt. Wir haben also direkt zu Beginn gleich zwei Kehrtwenden gemacht. Aber so konnten wir innerhalb der ersten 12 Monate dann schließlich das erste Patent anmelden. Im Oktober 2019 haben wir das Produkt der Öffentlichkeit vorgestellt und nun schreiben wir die ersten Rechnungen, machen die ersten Umsätze. Inzwischen haben wir bereits Aufträge für 800 Milchkühe erhalten.
Wie haben Sie das Unternehmen bis jetzt finanziert?
Abraham: Ein EXIST-Gründerstipendium finanzierte unsere Arbeit während der ersten 12 Monate. Als die Finanzierung ausgelaufen war, haben wir zunächst von eigenen Ersparnissen gelebt. 2016 haben dann wir dann einen sechsstelligen Betrag vom Brandenburger Frühphasen Fonds erhalten. Mit diesem Geld konnten wir unseren Prototypen um essenzielle Funktionen erweitern, z.B. um ein digitales Software-Frontend (Dashboard) mit den wichtigsten Daten für die Kunden. Im Herbst 2018 haben wir einen weiteren Investor mit ins Boot geholt: die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Berlin – Brandenburg, die nun auch bei uns beteiligt ist. Insgesamt ist bis jetzt damit eine Finanzierungssumme von 2,1 Millionen Euro in das Unternehmen geflossen.
Wenn Sie jetzt zurückblicken: Worauf kommt es gerade in der Anfangsphase an?
Abraham: Kontakte sind einfach das A und O. Es war für uns schon früh wichtig, auf Netzwerk-Veranstaltungen zu gehen und uns mit Menschen zu verbinden, die in der Branche arbeiten. Unsere Strategie war immer: rausgehen! Auch am Wochenende. Denn was man oft nicht sieht, ist das riesige Netzwerk der erfolgreichen Start-Ups. Leute, die in großen Unternehmen arbeiten und jungen Unternehmern wie uns, oft ohne Gegenleistung, durch Vernetzung mit ihren Kontakten unter die Arme greifen. Die berühmte Gründung in der Garage, sich also für ein paar Jahre in der eigenen Garage zu verschanzen und dort allein zu arbeiten, hätte für uns nicht funktioniert.
Breitenstein: Sich eine Idee auszudenken, ist meist nicht schwer. Der Rattenschwanz, der da aber dranhängt, also das alles durchzustehen und dranzubleiben – das ist das Schwierige. Im Nachhinein wirkt alles logisch und einfach, aber es kann zermürbend sein und jahrelange Arbeit und Lehrgeld kosten, um auf die richtigen Schritte zu kommen. Man muss mit Rückschlägen zurechtkommen und man darf – oft über Jahre – nicht den Mut und die Geduld verlieren. Dafür ist es wichtig überzeugt zu sein, von dem was man tut, man muss es lieben!
Was sind die großen Herausforderungen für Sie momentan?
Abraham: Das nötige Kapital und den langen Atem für das weitere Wachstum aufzubringen. Man betritt den Markt und möchte dann am liebsten schnell wachsen. Aber in Deutschland laufen die Finanzierungen eben anders als in Start-Up Hot-Spots wie den USA oder Israel. Man möchte von Deutschland aus gerne internationalisieren, aber mit 100.000 Euro kommt man da nicht weit. Da bräuchten wir das Zehnfache, um den Sprung über den Atlantik zu schaffen. Am Anfang „verbrennen“ Start-Ups immer Geld, das lässt sich an den amerikanischen Firmen wie Facebook, Google etc. leicht erkennen. Die Phase, bis wir schwarze Zahlen schreiben, ist bei uns eben lang, gerade durch Hard- und Software im Portfolio. Wir brauchen also auch Investoren, die einen langen Atem haben.
Welchen Rat möchten Sie jungen Gründerinnen und Gründern mitgeben?
Breitenstein: Ganz kurz: Es wird wehtun (lacht).
Abraham: Ich glaube, es ist für jedes Start-Up wichtig, offen über alle Punkte zu reden und keine Angst davor zu haben, ehrlich mit den Menschen zu sprechen, die ein tiefes Verständnis von dem Markt haben, auf dem man tätig ist. Gerade als Wissenschaftler hat man ein Idealbild vom Markt und von den Kunden und neigt dadurch eher dazu, sich mit der eigenen Erfindung in eine leere Ecke zu verlaufen. Besser ist es, direkt mit den Nutzern und Nutzerinnen über ihre Schmerzpunkte zu sprechen und zu verstehen, wo die Handhabung z.B. nicht optimal läuft. Und: Wer schon jahrelang im öffentlichen Dienst arbeitet und es sich auf so einer Stelle bequem gemacht hat, ist für die manchmal notwendigen 12-Stunden-Tage eines Start-Up Lebens vielleicht nicht unbedingt geeignet.
Breitenstein: Mein Chemielehrer sagte immer: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Man muss auch Fehler machen dürfen. Nur so lernt man und wird richtig gut. Offene Kommunikation ist dafür das Wichtigste, untereinander und im Austausch mit Anderen. Denn unser Produkt hat gerade am Anfang so viele Veränderungen und Entwicklungen durchgemacht. Hätten wir nicht so viele Späne hinterlassen, würde das alles hier gar nicht mehr funktionieren.
Kontakt
Karen Esser
Referentin PR & Kommunikation
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