»Nachhaltige Membranen sind die unsichtbaren Helden des Alltags« – Dr.-Ing. Murat Tutuş entwickelt technische Membranen für die Industrie
Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP im Potsdam Science Park entwickelt Dr.-Ing. Murat Tutuş technische Membranen für die Industrie. Die Membrantechnologie ist vielseitig und tief in unser Leben und Arbeiten integriert – von der Wasserfiltration in Klärwerken bis zu Beatmungsgeräten in der Medizin. Gerade darum sei das Thema Nachhaltigkeit in seiner Arbeit auch so wichtig, sagt Tutuş. Die Zukunft macht ihm in dieser Hinsicht allerdings wenig Sorgen. Er hat da ein paar Ideen …
Es muss interessant sein, mit Murat Tutuş’ Augen durch die Welt zu gehen. Im Grunde begegnet ihm seine Arbeit überall – wenn auch in unsichtbarer Form. Als Abteilungsleiter am Fraunhofer IAP entwickelt Tutuş mit seinem Team polymere Membranen. Die erleichtern unser Leben auf die unterschiedlichsten Arten, sagt er: »Nachhaltige Membranen sind die unsichtbaren Helden des Alltags. Ob bei der Filtration von Wasser, in Klärwerken, Beatmungsgeräten im Krankenhaus oder einfach nur im Kaffeefilter, den wir jeden Morgen in die Maschine einlegen.«
Für fast jedes Trennverfahren gibt es die richtige Membran
Vereinfacht gesagt kann praktisch jede dünne Struktur als Membran funktionieren. Hierfür genügt es, dass sie die Fähigkeit zur selektiven Durchlässigkeit besitzt, also dazu, bestimmte Stoffe aufzufangen, für andere jedoch durchlässig bleibt. Die Einfachheit und Vielseitigkeit dieses Prinzips machen für Tutuş den Reiz der Technologie aus: »Für fast jedes Trennverfahren gibt es die richtige Membran. Man muss sie nur finden.« Aber: So verbreitet die Filtration in Alltag und Industrie auch ist, so kompliziert ist die Entwicklung neuer Membranen. »Ob eine Membran sich für einen bestimmten Zweck eignet, ist von hunderten verschiedenen Parametern abhängig«, so Tutuş. Aus diesem Grund beschränken sich in der Industrie viele Hersteller darauf, auf Basis eines einzigen oder weniger Polymere (einem wesentlichen Grundbaustein von Membranen) eine begrenzte Anzahl von Membrantypen zu produzieren.. Unternehmen, die für ihr Produkt nach dem passenden Filter suchen, müssen also den Markt nach einem geeigneten Kandidaten durchforsten. Falls sich kein Anbieter mit einer geeigneten Membran findet, müssen Unternehmen dann die Entwicklung einer für sie maßgeschneiderten Lösung anstoßen. Genau hier kommen Forschende wie Murat Tutuş und seine Kolleg:innen am Fraunhofer IAP ins Spiel. Sie helfen der Wirtschaft, die richtige Membran für beinahe jeden Zweck zu entwickeln.
Dieser Prozess ist lang und aufwendig, erklärt der Ingenieur; und vor allem: er ist bislang kaum automatisierbar. »In der Praxis werden technische Membranen hergestellt, indem Polymere in einem geeigneten Lösungsmittel aufgelöst werden. Das bedeutet, wir müssen zuerst sowohl eine Gruppe von geeigneten Polymeren sowie dazu passenden Lösemitteln finden. Diese testen wir dann in mehreren Versuchsreihen.« So grenzen die Wissenschaftler:innen die infrage kommenden Kombinationen immer weiter ein, bis sie die für den gewünschten Zweck geeignete Zusammensetzung gefunden haben. Die Entwicklung einer Membran kann deshalb bis zu zwei Jahre dauern, erklärt Tutuş.
Auf der Suche nach nachhaltigen Alternativen
Gerade weil Membranen in unserem Alltag so verbreitet sind, ist Tutuş das Thema Nachhaltigkeit besonders wichtig. In ihrer Herstellung müsse sich etwas ändern, glaubt er: »Die meisten gängigen Lösemittel, die heute in der Membranentwicklung und -produktion zum Einsatz kommen, sind hochgiftig. Das produziert zunächst einmal Kosten für die nötigen Sicherheitsvorkehrungen in Laboren und Fabriken. Es ist also auch ein ökonomisches Problem.« Viel mehr treiben den Ingenieur aber die Gefahren für Mensch und Umwelt um. Aus diesem Grund hat er gemeinsam mit Wissenschaftler:innen seiner Abteilung am Fraunhofer IAP ein Patent für ein Verfahren entwickelt, das mit ungiftigen Lösungsmitteln auskommt und in der Praxis zunehmend eingesetzt wird.
Ein anderes Projekt bearbeitet Tutuş aktuell als Partner des Bündnis Wandel durch Innovation in der Region (WIR!) gemeinsam mit Forschenden des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ). Zusammen entwickeln sie eine landwirtschaftliche Folie, die gleich mehrere Eigenschaften in sich vereinen soll: Einerseits soll sie an kühlen Tagen durchlässig für Regen sein, um die Bewässerung abgedeckter Pflanzen zu sichern. An heißen Tagen dagegen sollen ihre Poren sich schließen, sodass verdunstendes Wasser in ihnen aufgefangen wird. Und schließlich soll das Material biologisch abbaubar sein. »So müssen Landwirt:innen die Folien nicht einmal mehr entsorgen. Es genügt, sie zu umpflügen. Sie können im Boden abgebaut werden und wirken wie ein Dünger.«
Innovationshub mit familiärer Atmosphäre
Wer Tutuş von seiner Arbeit und aktueller Membranforschung sprechen hört, versteht schnell, wie groß der Einfluss ist, den er mit seiner Arbeit in einem für Laien womöglich ‚nischig‘ wirkenden Bereich wie der Membranentwicklung ausübt. Dass das Fraunhofer IAP im Potsdam Science Park verortet ist, stimmt ihn positiv, dass auch die nächste Innovation nicht lange auf sich warten lassen wird. Die Atmosphäre am Standort beschreibt er als familiär, auch über die Grenzen seines eigenen Instituts hinweg: »Der Potsdam Science Park holt uns immer wieder aus unserer eigenen Bubble – professionell wie privat«, versichert er. Gerade abseits der Arbeit – in der Cafeteria, beim Universitätssport oder bei den Community-Events am Standort – komme man mit Wissenschaftler:innen und Forschenden aus anderen Fachbereichen in Kontakt. »Im besten Fall bleibt man im Gespräch, inspiriert einander und findet später auch beruflich zusammen.«
Das nächste Projekt kommt also bestimmt und damit auch die nächste Herausforderung und Gelegenheit, Innovationen und neue Membranen auf den Weg zu bringen. Es muss interessant sein, mit Murat Tutuş’ Augen durch die Welt zu gehen. Seine Arbeit begegnet ihm überall – manchmal ahnt er selbst noch nicht, wo.
Dieser Blog und die Projekte der Standortmanagement Golm GmbH im Potsdam Science Park werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Brandenburg finanziert.
Kontakt
Karen Esser
Referentin PR & Kommunikation
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