Dringend Unterkunft gesucht – Internationaler Austausch anders
Welcome! Vermieter bieten Forschenden des Potsdam Science Park gezielt Wohnraum an. Manche Geschichten beginnen mit einem glücklichen Zufall: Jens Kramer wollte die leerstehende Gewerbefläche im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Golm vermieten. Da die Immobilie nur wenige Minuten vom Potsdam Science Park entfernt liegt, nahm er Kontakt zum dortigen Welcome Service auf – und erhielt das Signal: Nicht Gewerbetreibende, aber Forschende aus aller Welt, die zum Arbeiten oder Studieren hierher kommen, suchen dringend Wohnraum.
Jens Kramer, der selbst in Berlin-Wilmersdorf lebt, baute den 180 Quadratmeter großen Raum in vier Apartments um und möblierte die Wohnungen: „Nicht billig, aber auch kein Luxus“, war seine Devise. Was ihm wohl eindrucksvoll gelang. Kurz danach waren die Wohnungen weg.
„Als Standortmanagement des Potsdam Science Park sind wir immer auf der Suche nach Vermieterinnen, die bezahlbare Angebote machen“, sagt Tina Stavemann vom Welcome Service. 90 Prozent der Wissenschaftler:innen, die hier um Hilfe bei der Suche bitten, seien Doktoranden oder Postdocs, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen. Zu uns kommen Menschen aus der ganzen Welt, die hier für einige Jahre wichtige Forschungsarbeit leisten.
Dass die Doktoranden und Wissenschaftler:innen nur kurze Wege zur Universität oder zum Science Park bevorzugen und nicht durch die halbe Stadt reisen möchten, können Ulrike und Roland Pohl, nicht bestätigen. Das Ehepaar, das nach dem Studium an der Technischen Universität Berlin (TU) nach Nordrhein-Westfalen gezogen ist, besitzt in Charlottenburg fünf Wohnungen. Diese vermietet es gezielt an Forschende des Science Park. „Sie freuen sich, die Berliner Kultur, Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie direkt vor der Tür zu haben.“
Mieter aus Golm kamen – wie so oft – durch einen Zufall ins Spiel. Vor 15 Jahren bewarb sich ein Postdoktorand des Max-Planck-Instituts für eine der Wohnungen, erzählt Roland Pohl. „Sein Professor, der den exzellenten Physiker unbedingt halten wollte, begleitete ihn.“ Drei Jahre habe der junge, freundliche Spanier dort gewohnt.
Das Vermieten an internationale Forschende ist für beide zum Credo geworden: „Wir finden es wichtig, dass Deutschland als Forschungsstandort weltweite Kontakte aufbaut, mit der Aussicht, dass junge Forschende sich hier wohl fühlen und bleiben.“ Dafür nehmen die Pohls auch die Wohnungswechsel in Kauf, wenn die wissenschaftliche Arbeit beendet ist und der Umzug in eine andere Stadt ansteht. „Wir haben uns, bis auf eine Ausnahme, in den 15 Jahren mit allen gut verstanden, freundschaftliche Kontakte gepflegt, auch mal ein Glas Wein getrunken und uns geduzt“, so der frühere Architekt.
Mittlerweile fragen auch Freunde und Bekannte ehemaliger Mieter:innen bei ihnen an, ob eine Wohnung zu haben ist. „Wir beschnüffeln uns dann über Skype oder zoom und schließen den Mietvertrag ganz unkompliziert ab.“ Außerdem sei der Austausch mit Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt sehr interessant: „Darunter sind Menschen aus Brasilien, Südafrika und Indien“, sagt Ulrike Pohl. Ihr Fazit: „Wir können das nur weiterempfehlen.“
Jens Kramer, der Mieter aus den USA, aus Taiwan, der Schweiz und Italien beherbergt, rechnet auf lange Sicht mit einer steigenden Nachfrage: „Der wachsende Science Park und die Universität ziehen viele Arbeitnehmer:innen an“, betont er: „Die Stadt sollte deshalb aktiver werden und mehr Wohnraum anbieten. Sonst gehen die Leute nicht nach Potsdam, sondern woanders hin.“
Text: Isabel Fannrich | Dieser Artikel ist am 8. September 2023 in der Sonderbeilage „WISSENSCHAFT IM ZETRUM“ von proWissen Potsdam e.V. in Potsdamer Neuste Nachrichten/Tagesspiegel erschienen.
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