Batterien aus Vanillin

Neue Energiespeicher mit Komponenten aus natürlichen Rohstoffen – Ein Hauch von Vanille liegt in der Luft. Das würde man in einem Chemielabor nicht unbedingt erwarten. Schon gar nicht, wenn dort an Batteriematerialien geforscht wird. Der Grund für den Geruch: Vanillin. Im Labor von Dr. Clemens Liedel dient die Substanz als Ausgangsstoff für ein mögliches Elektrodenmaterial der Zukunft. Liedel leitet die Arbeitsgruppe „Nachhaltige Materialien für die Energiespeicherung“ am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Er forscht an leistungsfähigen Batterien, die aus möglichst ungiftigen Materialien bestehen sollten.

Denn darauf ist die Energieversorgung der Zukunft angewiesen, um überschüssigen Strom von Windkraft- und Solaranlagen für Zeiten aufzuheben, in denen es zu wenig gibt. Der Grundstoff für die Batterien kommt im besten Fall aus nachwachsenden Rohstoffen und ist dabei fast unbegrenzt verfügbar. Für heutige Lithiumbatterien gilt genau das nicht. Lithium ist ein eher seltenes Metall, von dem es weltweit nicht viele Lagerstätten gibt. Etwa zwei Drittel aller Lithiumbatterien enthalten außerdem Kobalt, dessen Abbau häufig sozial und ökologisch problematisch ist. Hinzu kommen Elektrolyte, die mitunter giftig oder auch brennbar sind. Angesichts des derzeit stark wachsenden Bedarfs an Speicherkapazität sind das keine optimalen Voraussetzungen.

Organische Moleküle speichern den Strom aus Windkraft

Im Vanillin-Ansatz sieht Clemens Liedel eine deutlich nachhaltigere Alternative. Denn die Substanz lässt sich aus einem der häufigsten Stoffe überhaupt herstellen – aus Lignin, einer Hauptkomponente von Holz. Jahr für Jahr produziert die Natur viele Milliarden Tonnen davon. Aber wie kann ein organisches Molekül als Material für einen Stromspeicher dienen? Schließlich denkt man bei Batterien eher an Metalle wie Blei, Cadmium oder eben Lithium. „Was man braucht, sind ganz allgemein Substanzen, die Elektronen abgeben und danach wieder aufnehmen können“, erklärt Liedel. „Das können Metalle sein, die dann zu Metall-Ionen werden, aber auch organische Substanzen.“

Statt schwermetallhaltiger Stoffe setzen die Forscher also auf Vanillin an der Kathode, dem Pluspol von Lithiumbatterien. Doch das spröde Pulver muss noch optimiert werden. „Normalerweise vermengt man die Substanz mit einem Bindemittel zu einer kompakten Masse und macht diese durch Zusatz von Kohlenstoff leitfähig“, erklärt Liedel. Nach etlichen Versuchen mit verschiedenen Stoffen sind die Forscher nun ein ganzes Stück weiter und kommen ganz ohne Bindemittel mit einem reinen Vanillin-Kohlenstoff-Gemisch aus.

Für den Test als Elektrodenmaterial trägt ein Mitarbeiter das Gemisch hauchdünn auf Kohlepapier auf. Daraus stanzt er ein kleines kreisrundes Stück, das er in ein Kunststoffgehäuse bugsiert. Danach kommen noch eine Trennmembran, ein Elektrolyt und eine Gegenelektrode in die Kammer. Damit ist die Batterie komplett. An zwei Edelstahlzylindern, die aus dem Kunststoffgehäuse ragen, lässt sich nun die Batteriespannung messen. Auch Langzeittests mit vielen Lade- und Entladevorgängen musste dieser jüngste Vanillin-Ansatz bestehen – und hat überzeugt. Gedanken macht sich die Gruppe von Clemens Liedel auch über den künftigen Elektrolyten – jene Komponente in einer Batterie, die mit ihren beweglichen Ladungsträgern, den Ionen, für den elektrischen Ladungsausgleich zwischen den beiden Polbereichen sorgt. Üblicherweise besteht er aus einem an die Elektroden angepassten Leitsalz und einem Lösungsmittel. „Aktuell sind hier Lösungen giftiger Lithiumsalze in brennbaren organischen Carbonaten üblich“, so Liedel. Dem Chemiker schwebt jedoch eine nachhaltigere und sicherere Lösung vor.

Auch dabei gibt es erste Erfolge. Clemens Liedel greift nach einem Rundkolben: „Das ist eine ionische Flüssigkeit“, sagt er. So nennt man Salze, die schon bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius flüssig sind. Wie für Salze kennzeichnend, bestehen sie aus positiv geladenen Kationen und negativ geladenen Anionen. „Ionische Flüssigkeiten sind gut leitend für andere Ionen, kaum flüchtig und damit auch schwer entflammbar“, erklärt er, warum sich diese Stoffgruppe als Lösungsmittel für Elektrolyten empfiehlt.

Auch für Membranen aus Erdöl gibt es Alternativen

Ionische Flüssigkeiten gibt es auch auf rein organischer Basis; sie lassen sich somit im besten Falle aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen. Für Liedel noch wichtig: „Sie sind chemisch gut designbar.“ So lässt sich die Ionenleitfähigkeit der Moleküle gut einstellen und auch der Temperaturbereich, in dem sie flüssig sind. Inzwischen hat seine Gruppe eine geeignete ionische Flüssigkeit gefunden, die sich bereits zur Hälfte aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen lässt. In kommerziellen Batterien liegen die beiden Pole in der Regel dicht beieinander. Um einen elektrischen Kurzschluss zu vermeiden, befindet sich zwischen ihnen noch eine feinporige Trennwand. Dieser Separator ist für die Ionen des Elektrolyten durchlässig. Das erlaubt den Ladungsausgleich, der nötig ist, sobald Elektronen vom Minuspol über einen Verbraucher zum Pluspol wandern oder wenn die Batterie geladen wird. Üblicherweise dienen erdölbasierte Kunststoffmembranen als Separator. Auch hier hat Liedels Gruppe eine Alternative. Die hat sich bei den Arbeiten ganz nebenbei aufgetan. Die Forscher haben Ketten aus dem biobasierten Polymer Chitosan durch den Zusatz weiterer Substanzen zu einem Netzwerk an Makromolekülen mit kleinen Poren verknüpft. Versuche damit waren bereits erfolgreich.

Nach so viel Grundlagenforschung an den Batteriekomponenten plant die Gruppe nun den nächsten Schritt. „Jetzt wollen wir versuchen, alle Ansätze miteinander zu verheiraten“, so Liedel. Also das organische Kathodenmaterial mit der ionischen Flüssigkeit und der Chitosanmembran. Als Minuspol schwebt den Forschern dabei statt der derzeit verbreiteten Lithium-Graphit-Kombination eine Elektrode auf Basis der besser verfügbaren Metalle Natrium oder Magnesium vor. „Wir müssen aber noch einige Detailfragen klären“, sagt Liedel. Etwa die, wie gut sich die ionische Flüssigkeit eigentlich mit einem biobasierten Elektrodenmaterial wie dem oxidierten Vanillin chemisch verträgt.

Text: Karl Hübner, Foto: Bettina Ausserhofer

weitere Artikel in der PNN-Sonderbeilage zum Potsdam Science Park vom 21.09.2019

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