Game Changer – „Das ist fertig, das bieten wir jetzt so an“

Im Juli 2012 hat Dr. Thomas Frischmuth metaSysX mitgegründet. Die Firma ist spezialisiert auf die Analyse von Metaboliten, also komplexe organische Moleküle, die beim Stoffwechsel von Organismen entstehen. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wann die Zeit reif ist für den Markteintritt, wovon man als Gründer lieber die Finger lassen sollte und wie sich mit der Firmentechnologie ein „KI-Wein“ herstellen lässt.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, das Unternehmen zu gründen?

Ich habe mich Mitte 2008 mit Prof. Dr. Lothar Willmitzer (Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie, Anm. d. Red.) getroffen und er hat mir sein Forschungskonzept vorgestellt. Ich kenne ihn schon seit über 30 Jahren aus meiner Doktorandenzeit in Hamburg und wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Das ist übrigens auch eines der wichtigsten Dinge, gerade bei innovationsgetriebenen Unternehmen: Man sollte sowas nur mit Leuten anfangen, denen man auch vertraut und die nicht im ersten kritischen Augenblick weglaufen, weil sie keine Lust mehr haben.

Prof. Willmitzer hat bereits in den späten 90zigern angefangen die Bedeutung der Analyse kleiner chemischer Moleküle, den Metaboliten, in der Zelle eines Organismus und deren Zusammenhang mit der Resistenz und dem Ertrag bei Pflanzen erkannt. Durch die immer feinere Messmethoden und der Entwicklung der Bioinformatik und den sogenannten Künstlichen Intelligenzverfahren (KI) war es möglich diesen Zusammenhang in mathematischen Modellen zu erfassen und daraus Rückschlüsse auf z.B. Krankheiten zu erlangen.

Wie und wann ging es konkret los?

Wir haben 2008 zunächst den Businessplan entwickelt und dabei festgestellt, dass das Konzept noch nicht richtig funktioniert. Wir hatten zu der Zeit noch keine gute Antwort auf die Frage, was wir Kunden wirklich anbieten wollen. Die Technologie ist das eine, aber was ist der echte Mehrwert für den Kunden? Zu dem Zeitpunkt war die Analyse noch zu ungenau, weil im Ergebnis immer noch sechs bis acht verschiedene Substanzen möglich waren. Das ist für Akademiker ganz nett, aber wer am Markt soll uns dafür bezahlen am Ende?

Wie und wann kamen Sie dann zum marktreifen Produkt?

Wir haben die Technologie und das Equipment am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie dann zunächst weiterentwickelt und drei Jahre später hatten wir dann noch das Glück, dass ein neues Massenspektrometer auf den Markt kam. So haben wir es dann schließlich geschafft, die Genauigkeit so zu bestimmen, dass wir bei kleinen Molekülen das Ergebnis auf eine Substanz eingrenzen konnten. Damit hatten wir ein marktreifes Produkt und haben MetaSysX dann 2012 gegründet.

Wie verlief der Start?

Der erste Kunde war zum Glück gleich so begeistert von unseren Analysen, dass wir einen großen Rahmenvertrag abschließen konnten, sodass die Darlehen und Haftungsverpflichtungen, die anfangs reingegeben wurden, nach einem halben Jahr bereits wieder zurückgezahlt wurden. Überhaupt haben wir als Gesellschafter das Geld nie rausgenommen aus der Firma, sondern die Gewinne immer weiter thesauriert und so ins Wachstum investiert.

Mit dem Aufbau von Unternehmen haben Sie viel Erfahrung, Sie haben bereits sechs Firmen gegründet. Was ist Ihre persönliche Philosophie, gerade für den Anfang?

Ich habe jedes Mal vor der Gründung sehr sorgfältig überlegt. Ich habe nie gesagt „Das finde ich toll!“ und dann sofort losgelegt. Ich habe mich immer gefragt: Wie tickt der Markt und wer ist mein Kundenkreis, der auch dafür bereit ist zu bezahlen? Das ist nämlich genau das, was Professoren häufig falsch sehen, wenn sie denken: „Der Kunde auf dem Markt muss das doch machen, der muss das Produkt kaufen!“ Aber müssen tut niemand.

Wie viel Wissenschaftler steckt noch in Ihnen nach all diesen Unternehmensgründungen?

Ich bin immer noch wissenschaftlich begeistert und publiziere auch regelmäßig, aber der Blickwinkel hat sich deutlich geändert. Früher ging es mir um den Erkenntnisgewinn, und das ist auch wichtig an Universitäten und Instituten. In der Industrieforschung ist es so: Das „F“ bei F & E (Forschung und Entwicklung) ist relativ klein. Unternehmen machen keine echte Grundlagenforschung. Man greift eher Entwicklungen aus der wissenschaftlichen Community auf und entwickelt dann Lösungen, um ein bestimmtes Verfahren zu verbessern. Dieser angewandte Teil interessiert mich sehr.

Wie hat sich Ihr Tätigkeitsbereich entwickelt in den letzten Jahren?

Gerade kleine Firmen, wie auch MetaSysX, können sehr innovativ sein. Wir haben viele neue Technologien mit reingenommen. Wir haben angefangen als metabonomische Analytikfirma im Pflanzenbereich, mittlerweile begleiten wir z. B. auch Studien zu Depressionen an der Charité oder bereiten klinische Studien vor. Und natürlich profitieren wir enorm von den Erkenntnissen des Max-Planck-Instituts, Dr. Willmitzer forscht und liest viel, das er wieder als Grundlagenforschung mit einbringen kann. Das war immer wichtig für unser Weiterkommen.

Hätten Sie gerne auch etwas anders gemacht?

Wir haben bei MetaSysX ein großes Fehl-Investment gemacht. Nachdem wir zunächst im Pflanzensektor tätig waren, wollten wir weiterwachsen. Wir haben uns dabei auf die Meinung von Beratern gestützt, die uns den Markt für Consumer Goods empfohlen haben. „Dort wartet das große Geschäft“, sagte man uns damals. Also sind wir in die Lebensmittelanalytik eingestiegen, z. B. für Wein oder Säfte. Wir haben auch medial viel Wirbel darum gemacht, doch weder mein Mitgründer noch ich hatten Ahnung von Consumer Goods. Das war für unsere Technologie ein totaler Trugschluss. Wir haben uns da auf Glatteis begeben und zweieinhalb Jahre lang nur Geld verbrannt.

Welchen Schluss haben Sie daraus gezogen?

Was wir nicht verstehen, sollten wir sein lassen. Die Alternative ist, es sonst ganz aus der Hand zu geben und an jemanden zu übergeben, der das Feld beherrscht. Ich kenne mich gut in der Medizin aus, u. a. weil ich selbst verschiedene Medikamente mit entwickelt habe. Diesen Bereich kenne ich, da weiß ich, was die Leute suchen. Diese Entscheidung hätte ich gerne schon ein paar Jahre früher getroffen. Außer Geld hat es uns aber zum Glück nichts gekostet. (lacht)

Ihre Technologie, also die Analyse von Molekülen, lässt ziemlich viele Anwendungsfelder zu. Was ist da noch möglich?
Wir können die Algorithmen und unsere Technologie dafür nutzen, um Weine, also Cuvées nachzubauen. Als privates Experiment arbeite ich gerade mit einigen anderen zusammen mithilfe unserer Technologie an einer Art „KI-Wein“, also ein bestimmter Weingeschmack erstellt durch künstliche Intelligenz.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Wenn jemand z. B. einen Wein mit Kirscharoma haben möchte, können wir die exakte Mischung durch unsere Algorithmen und mithilfe unserer Datenbanken bestimmen. Wir wären dann irgendwann nicht mehr Analytiklabor, sondern Weinhändler (lacht).

Das wäre dann zumindest der Einstieg in die Consumer Goods (lacht nun auch). Zurück zu Ihrem Kerngeschäft: Wie sieht eine klassische Anfrage aus und wir finden Sie Ihre Kunden?

Wir leben größtenteils von der Mundpropaganda. Es gibt kaum ein Pflanzenzüchtungsunternehmen, das nicht mal bei uns anklopft, dazu zählen selbst Tulpenzüchter in Holland. Auch Kosmetikunternehmen kommen auf uns zu, für die führen wir z. B. sogenannte Skintests durch, Tierversuche sind im Bereich Kosmetik ja nicht bzw. nur sehr eingeschränkt erlaubt. In einem Fall haben wir rausgefunden, dass einige Cremes eines Kunden sogar einen Anti-Aging-Affekt haben, weil sich bestimmte Cytokinmuster verändert haben, die wir in unserer Datenbank hatten. Ursprünglich sollten diese Cremes bei Hautirritationen angewandt werden. Das heißt, der Kunde entwickelt jetzt neue Cremes mit bestimmten Wirkungen mithilfe unserer Technologie.

Wenn Sie noch mal gründen würden, was würden Sie genau so machen?

Es ist immer sinnvoll, es nicht allein zu machen. Und ich rede jetzt nicht vom Reifenwechselservice oder so, sondern von wissenschaftsgetriebenen Gründungen. Suchen Sie sich einen Partner! Das ist gerade am Anfang entscheidend, damit man sich nicht in den Details verliert. Und da hilft es sehr, wenn einer sagt: Das ist fertig, das bieten wir jetzt so an.

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