Game Changer – „Von den Businessplänen ist das meiste in der Form nicht eingetreten“
Das Unternehmen Tacalyx konzentriert sich auf die Entdeckung und Entwicklung neuartiger Anti-TACA-Krebstherapien – und hat im Sommer 2019 eine Finanzierungsrunde in Höhe von 7 Mio. EUR erfolgreich abgeschlossen. Wir haben mit Dr. Peter Sondermann, CEO von Tacalyx, gesprochen: darüber, was ihn an Biochemie reizt, welche Überraschungen er bei der Gründung erlebt hat und welche Rolle Wissenschaftler*innen in Unternehmen spielen.
Wie kamen Sie zur Chemie?
Tatsächlich war es mein Kindheitstraum, Chemiker zu werden. Besonders die Synthese neuartiger Substanzen hat mich fasziniert – also nicht so sehr wenn es knallt und stinkt, wie es bei anderen oft ist, in dem Alter. Während des Chemiestudiums habe ich damals die Biochemie, genauer gesagt den Bereich Life Sciences für mich entdeckt und mich dem Genetic Engineering gewidmet.
Worum geht es beim Genetic Engineering genau?
Bei der von uns verwendeten Form des Genetic Engineering werden Baupläne für Proteine in Wirtszellen eingeschleust, die diese dann in zahllosen Kopien herstellen und ins Kulturmedium ausschleusen, aus dem sie anschließend „geerntet“ werden können. Auf diese Weise lassen sich therapeutische Proteine wie Blutgerinnungsfaktoren oder Antikörper effizient und relativ kostengünstig herstellen. Auch die von Tacalyx generierten Antikörper, die die von uns verfolgten Zielstrukturen auf den Krebszellen wie mit einer molekularen Pinzette spezifisch erkennen, werden auf diese Weise produziert.
Wie hat sich Ihre berufliche Laufbahn entwickelt und wie kam es zur Gründung von Tacalyx?
Vor und während des Studiums wollte ich eigentlich immer in einem großen Pharmakonzern arbeiten. Nach meinem Post-Doc habe ich dann aber in einem kleinen Biotech-Unternehmen in der Schweiz angefangen, das nach einiger Zeit tatsächlich von einem Pharmakonzern akquiriert wurde. Dabei stellte ich fest: hier wird jetzt viel weniger diskutiert und mehr von oben entschieden. Insofern bin ich nach einigen Jahren gerne zu meiner vorher gegründeten Biotechfirma SuppreMol bei München zurückgekehrt, nachdem wir für diese eine Finanzierung gefunden hatten und habe dort als wissenschaftlicher Leiter die verschiedenen Programme entwickelt. Nach dem Verkauf auch dieser Firma an ein Pharmaunternehmen und die Schließung unseres Standortes in Martinsried habe ich den Konzern verlassen und nach einer neuen Herausforderung gesucht. Und wie es der Zufall so wollte, hat mich damals ein ehemaliger Shareholder von der Max-Planck-Innovation, die für den Technologietransfer der Institute der Max-Planck-Gesellschaft verantwortlich ist, gefragt, ob ich nicht bei der Tacalyx als „Kümmerer“ einsteigen will. Also als jemand, der alle losen Enden in der Hand hält und alles miteinander verknotet, z. B. ein Team aufbaut und Investoren findet.
Können Sie kurz erklären, was Ihr Unternehmen macht?
Krebszellen bilden Zuckerstrukturen auf ihren Oberflächen aus, die sehr spezifisch sind und normalerweise nicht auf gesunden Geweben auftauchen. Diese Strukturen nutzen wir nun mit unserem chemischen und biologischen Wissen, um dagegen spezifische Antikörper mittels dem genannten „Genetic Engineering“ herzustellen. Diese werden dann zu neuen Therapeutika entwickelt, die die Zuckerstrukturen auf den Krebszellen erkennen und abtöten.
Wie genau nutzen Sie dieses Wissen, wie ist also das Geschäftsmodell dahinter?
Die Strukturen selbst können wir natürlich nicht patentieren, die haben wir ja nicht erfunden – wir haben sie nur für unsere Zwecke als geeignet gefunden. Was wir hingegen patentieren wollen, sind die Antikörper, die wir generieren, entsprechend modifizieren und mittels zahlreicher biologischer und biochemischer Testsysteme evaluieren, damit sie die anvisierten Krebszellen erreichen und auch effizient töten können. Unser Ziel ist es, den Prototypen eines Medikaments selbst zu entwickeln und ihn dann für Wirksamkeitsstudien an Patienten zu testen. Danach klinken wir uns zumindest finanziell aus. Denn die Entwicklung eines marktfähigen Produkts kostet einen dreistelligen Millionenbetrag. Das können wir uns nicht leisten – und wollen das auch gar nicht selbst machen. Hier suchen wir die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie, die in diesem Bereich ihre eigentliche Expertise hat.
Was war entscheidend während der Gründungsphase?
Am wichtigsten war es, ein Team aufzubauen. Das Gründerteam, zu dem auch Professor Seeberger zählte, bestand aus Menschen, die bereits in andere Tätigkeiten involviert waren. Die haben dann die Gründung „nebenbei“ machen müssen. Und damit das wirklich klappt, mussten sich dann alle auf „den Kümmerer“ verlassen können (lacht).
Welche Überraschungen haben Sie dabei erlebt?
Ich habe gelernt, wie viel Aufwand man betreiben muss, damit eine Firma in Deutschland wirklich legal operieren kann. Es ist deshalb von Vorteil, eine Gründung gemeinsam mit jemandem zu machen, der sich in den Bereichen Administration, Recht und Finanzen gut auskennt. Während der ersten Monate habe ich mich praktisch nur um solche Dinge gekümmert: Eintragung ins Handelsregister, Beschaffung von Steuernummern und zahlreichen anderen Einträgen, Bescheinigungen und Dokumenten. Bei meiner ersten Firmengründung vor 20 Jahren bin ich ja später als wissenschaftlicher Leiter eingestiegen und da war das alles schon gelaufen. Es ist aber in den letzten 10 bis 15 Jahren auch wesentlich komplexer geworden. Ich denke, dieses komplizierte System ist für Gründer und Startups wirklich ein Nachteil in Deutschland.
Und welche positiven Überraschungen haben Sie erlebt, mit denen Sie nicht gerechnet hätten?
Einer meiner Ex-Chefs hat immer gesagt: Die Hälfte einer Firma ist das Management. Darüber habe ich früher gelacht, denn ich war der Überzeugung, dass die Idee 90% ausmacht. Aber das stimmt nicht. Kreativität, Flexibilität und Out-Of-The-Box-Denken gepaart mit viel positivem Denken sind entscheidend. Lustig ist auch, wenn ich mir Businesspläne von damals anschaue – davon ist das meiste in der Form nicht eingetreten, weil sich z. B. der angedachte Weg als nicht gangbar herausstellte oder das Umfeld sich geändert hatte! (lacht).
Gab es einen Zeitpunkt, ab dem Sie etwas ruhiger schlafen konnten?
Was sehr hilft sind vor allem Mitarbeiter, die Projekte in der richtigen Weise vorantreiben können. Denn die Firma war am Anfang ja nur ein reines Konzept, wir hatten nur wenige Ergebnisse, auf die wir aufbauen konnten. Dazu kommt, dass es nicht trivial ist, Antikörper gegen Zuckerstrukturen zu generieren. Als wir dann unsere ersten Wissenschaftler*innen eingestellt hatten, war mir sofort klar: die können viele Dinge schultern, die ich bisher alleine machen musste. Wir kommen nun deutlich schneller voran.
Sprechen wir über wissenschaftlich getriebene Ausgründungen: Wie funktioniert aus Ihrer Sicht das Zusammenspiel von wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Perspektive?
Man kann ein Unternehmen vielleicht mit einem Auto vergleichen: Ein*e gute/r Wissenschaftler*in ist ein starker Motor, der die PS auf die Straße bringt. Ist der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin länger im Unternehmen, muss er oder sie irgendwann lernen, strategisch zu denken. Man ist dann nicht nur Motor, sondern wird auch zum Fahrer und Navigator, der nicht nur Schlaglöcher umfährt sondern auch die schnellste Route zum Ziel kennt. Ich selbst habe schon Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erlebt, die ganz wundervolle Technologien entwickeln, die auch einwandfrei funktionieren. Nur das Produkt, das dabei entsteht, das braucht oftmals keiner. Um dem entgegenzuwirken, hilft es natürlich auch Mitarbeiter zu haben, die sich mit dem Markt und den Mitbewerbern auskennen.
Können Sie verraten, wie man ein guter Fahrer wird?
Es ist im Prinzip ganz einfach: indem man selbst fährt. Das heißt auf ein Unternehmen bezogen, dass man die Menschen eben auch fahren lassen muss, in ihrem Bereich. Es macht unheimlich viel Spaß zu sehen, wie die Leute an ihren Aufgaben wachsen! Und ich glaube, die meisten wollen auch fahren.
Haben Sie noch einen allerletzten Tipp an junge Gründerinnen und Gründer?
Was Steve Jobs – sinngemäß zitiert – gesagt hat, ist 100% wahr: „Every success consists of 50% persistence”. Man muss dranbleiben und wenn man hinfällt, muss man aufstehen. Das zeichnete erfolgreiche Gründer schon immer aus. Viele andere Probleme lösen sich dann fast wie von selbst. Und ganz praktisch: Geht zu Gründerstammtischen, redet mit ehemaligen, derzeitigen und zukünftigen Gründern! Man muss nicht alle Fehler, die andere Leute bereits gemacht haben, wiederholen.
Kontakt
Karen Esser
Referentin PR & Kommunikation
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