Von der Forschung zum Produkt

Am 8. November fand im Potsdam Science Park der Hightech Transfertag 2019 statt. Bei der alljährlichen Leistungsschau stellen Spitzenforscher*innen, Unternehmer*innen und Gründer*innen des Potsdam Science Park ihre Erfolge und neuesten Produkte vor, vernetzen sich – und lernen voneinander. Im Fokus der eintägigen Konferenz, die in diesem Jahr bereits zum achten Mal stattfand, lagen der Transfer von Forschungsideen in die Wirtschaft, Patente und Schutzrechte sowie Kooperationen und Finanzierungsmöglichkeiten für Startups.

Der Hightech Transfertag wirbt für eine Kultur des Austauschs und des Gründens im Potsdam Science Park. Was braucht es, um eine Idee aus der Forschung in die Wirtschaft zu bringen? Welche Bedingungen fördern diesen Transfer? Wie gründet man und welche Hürden gilt es zu überwinden? Das sind einige der Fragen, die am 8. November auf dem Hightech Transfertag im Potsdam Science Park in Golm diskutiert wurden. „Der Hightech Transfertag ist Leistungsschau, Wissensbörse und Netzwerktreffen zugleich, er gibt einen Überblick über neueste Forschungen und Produkte, vermittelt Wissen für den erfolgreichen Technologietransfer und ermöglicht die Anbahnung von Kooperationen“, sagt Agnes von Matuschka, die Geschäftsführerin des Standortmanagements Golm, das die eintägige Konferenz gemeinsam mit Potsdam Transfer organisiert hat. „Unser Ziel ist es, Wissenschaft und Wirtschaft im Raum Potsdam eng miteinander zu verzahnen und so ein Netzwerk für Innovationen in der Region Berlin-Brandenburg zu schaffen.“

Den inhaltlichen Auftakt gab in diesem Jahr Peter Albiez, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pfizer Deutschland und Sprecher des Clusters Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg. Mit Blick auf die Life Sciences unterstrich er, wie wichtig es für die Sichtbarkeit von Wissenschaftsstandorten ist, dass Forschung den Weg in die Praxis findet. „Wo Translation funktioniert, entstehen Gravitationszentren, die Wirtschaft und Wissenschaft verbinden und ab einer gewissen Größe Ressourcen, Investitionen und Talente anziehen – das ist ein selbstverstärkender Prozess“, sagte Albiez. „In Golm funktioniert Translation bereits, es gibt ein eindrucksvolles wissenschaftliches Umfeld und erfolgreiche Spin-Offs.“

Albiez warb für eine noch stärkere Vernetzung zwischen wissenschaftlichen Instituten, Unternehmen und Startups – und zwar nicht nur im Potsdam Science Park, sondern in der gesamten Region Berlin-Brandenburg. Denn im Vergleich etwa zu den USA werde oft noch zu wenig zusammengearbeitet und würden Forschungsdaten viel zu oft in Silos enden. „Ich bin überzeugt, dass die Region das Potenzial hat, zu einem international führenden Life Sciences-Standort zu werden und eine Vorreiterrolle in der medizinischen Versorgung der Zukunft zu spielen“, sagte Albiez. „Doch dazu müssen wir groß denken und die verschiedenen Akteure viel stärker als bisher verbinden.“

Die Wichtigkeit von Clustern immer wieder vor Augen führen

Oliver Stenzel von Novartis Deutschland betonte, wie wichtig Cluster – z. B. das Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg (HealthCapital Berlin-Brandenburg) – sind, um Kooperationen zu ermöglichen und Innovationen zu schaffen. „Durch den regelmäßigen und engen Kontakt innerhalb solcher Cluster entsteht ein Vertrauen, das es braucht, um auch mal unausgegorene Ideen anzusprechen, gemeinsam etwas auszuprobieren und vielleicht auch zum Erfolg zu bringen“, sagt Stenzel. „Wir sind aufgefordert, der Politik die Wichtigkeit von Clustern immer wieder vor Augen zu führen.“

Der Hightech Transfertag ist auch ein Forum für den Erfahrungsaustausch. Hier erzählen Forschungsinstitute und Gründer, wie sie ihre Ideen und wissenschaftlichen Erfolge in die Praxis umsetzen, Produkte schaffen oder Patente anmelden. Leonard John, der am Institut für Chemie der Universität Potsdam in Golm neue Fluoreszenzfarbstoffe entwickelt, berichtete aus eigener Erfahrung was es mit sich bringt, in Deutschland ein Patent anzumelden – welche Kniffe dabei helfen, wie man Geld sparen kann und welche Fehler man nicht begehen sollte. Gerade für Startups und kleine Unternehmen sind solche Insider-Informationen nützlich. Auch mehrere Dienstleister, die Startups unterstützen, stellten sich am Rande der Veranstaltung vor. Der DIN e.V. etwa, übernimmt die Beantragung von DIN-Normen oder aber auch von Standardisierungen, was gerade für kleinere Unternehmen von großem Mehrwert sein kann.

Forschungsinnovationen aus dem Potsdam Science Park

Mehrere Forschungsgruppen aus dem Potsdam Science Park berichteten im Panel „Kooperationen und Verwertung mit der Wirtschaft“ von neuesten Produkten, die sie aus ihren Forschungsideen heraus erfolgreich entwickelt haben. Marlen Malke vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung präsentierte ein Produkt, an dessen Entwicklung gleich vier Fraunhofer-Institute beteiligt waren. „Unser Ziel war es, einen synthetischen Kautschuk mit den Eigenschaften von Naturkautschuk zu entwickeln“, sagte Malke. Das Ergebnis ist BISYKA, ein biomimetischer Synthesekautschuk, der für die Reifenproduktion genutzt werden kann und im Rollwiderstand und von den Abriebeigenschaften her dem Naturkautschuk überlegen ist. „Das Produkt ist auf großes Interesse gestoßen, wir haben bereits ein Patent angemeldet und sind mit großen Herstellern in Verhandlung.“

Helmut Remde, ebenfalls vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung, stellte mit RECAST ein neues Material für Orthesen vor, welches er mit seinem Team in Kooperation mit der Firma Nölle Kunststofftechnik entwickelt hat. Mit Orthesen werden zum Beispiel Knochenbrüche stillgelegt. Auf der Grundlage von biobasierten Kunststoff Polymilchsäure entwarf das Team eine Rezeptur für ein Material, das die neuen Orthesen besser formbar macht als herkömmliche – und das zudem recycelbar ist.

Und Arren Bar-Even vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie sprach über das von ihm mitgegründete Unternehmen b.fab GmbH, das eine vielversprechende Methode vermarktet, die klimaschädliches Co2 durch Elektrizität und Mikroben in Kraftstoffe der Zukunft umwandelt.

Förderung als Gütesiegel und Signal für Investitionen

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion ging es vor allem um die Finanzierung von Gründungen. Peter Sondermann von Tacalyx, einem erfolgreichen Spin-off des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung im Potsdam Science Park, erzählte von seinen Gründungserfahrungen. Das Startup hat 2019 erreicht, was viele sich wünschen: Investoren, in diesem Fall der Hightech Gründerfonds, haben für das junge Unternehmen Investments von sieben Millionen Euro Startkapital für die Entwicklung neuartiger Immuntherapien zur Krebsbekämpfung bereitgestellt. Zwei Jahre dauerte der Gründungsprozess von der Idee über den Businessplan bis zu unterschriebenen Verträgen mit den Investoren. Mit Hilfe einer Discovery-Plattform will Tacalyx nun sogenannte TACAs („Tumor-Assoziierte Carbohydrat-Antigene“) identifizieren und validieren und „Lead“-Moleküle erzeugen, die sich gegen diese tumorspezifischen Strukturen richten. „Wir wollen mit dem Geld innerhalb von drei Jahren den Prototyp eines pharmazeutischen Präparats zur klinischen Studie bringen“, sagte Tacalyx-Mitgründer Peter Sondermann. „Für die Herstellung des Präparats werden wir dann eine weitere Finanzierungsrunde benötigen.“

Dass Unternehmen mit guten Ideen wie Tacalyx, die aber noch weit vom Markt entfernt sind, ausreichend Startkapital einwerben können, ist keine Selbstverständlichkeit, wie sich bei der Podiumsdiskussion abzeichnete. „Für uns war es wichtig, dass der Hightech Gründerfonds uns unterstützt hat, dadurch hatten wir ein Gütesiegel, dass andere Investoren angezogen hat“, sagt Sondermann. Eine ähnliche Erfahrung hat Pierre Tangermann gemacht, der mit PerioTrap Pharmaceuticals an einer neuartigen Therapie gegen Parodontitis arbeitet, die Erreger mit so genannten niedermolekularen Inhibitoren selektiv abtöten will. Auch PerioTrap Pharmaceuticals hat sich zuerst an den Hightech Gründerfonds (HTGF) gewandt, der aus der Forschung kommende Technologie-Unternehmen mit Risikokapital unterstützt. „Wenn man den HTGF an Bord hat, hat man eine gute Basis, um Werbung für weitere Geldgeber zu machen“, sagte Tangermann.

Auf dem Podium saß auch Lena Krzyzak aus dem Management des Hightech Gründerfonds,
der zu zwei Dritteln vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und der Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziert wird, sowie zu einem Drittel von Industriepartnern. „Wir spielen eine zentrale Rolle für Unternehmen, die noch weit vom Markt entfernt sind und von Venture Capital-Playern kein Geld bekommen“, sagte sie. Ihr Tipp an unschlüssige Gründer? „Seid mutig, kommt auf uns zu und wer sich als Wissenschaftler*in nicht in einer Geschäftsführerrolle sieht, sollte dennoch Investoren ansprechen und jemand anderes für diese Rolle finden.“

Von tierischem Stress und nachhaltiger Ernährung – Innovationen im Unternehmer-Storytelling

Gute Ideen standen auch am Ende der Hightech Transfertags. Startups stellten im Unternehmer-Storytelling kurz und knapp ihre Innovationen vor. AniTech etwa ging mit Sensoren an den Start, mit denen Landwirte die Gesundheit von Kühen auf dem Smartphone digital überwachen können. Die Sensoren messen Wiederkaurate, Atemfrequenz und Lautäußerungen – und schlagen bei Auffälligkeiten frühzeitig Alarm. Das Startup hyperSpecs stellte seine Idee einer neuartigen Spektralkamera vor, das Team des Start-ups Vlyfoods präsentierte mit Milchersatz aus Erbsenprotein ein neues Nahrungsmittel, das mehr Protein enthält als herkömmliche Kuhmilch und zudem nachhaltiger ist. „Das Unternehmer-Storytelling hat noch einmal gezeigt, welches Gründungspotenzial es in Potsdam und Brandenburg gibt“, sagt Agnes von Matuschka. „Wir hoffen, dass der Hightech Transfertag auch in Zukunft dazu beitragen wird, dass immer mehr Wissenschaftler*innen ihre guten Ideen auch verwerten.“

Zahlreiche Firmen, Wirtschaftsförderer und Investoren des Potsdam Science Park präsentierten im Rahmen des Hightech Transfertags an verschiedenen Ausstellungsständen umfassende Beratung und Informationen zu neuen Produkten, Materialien und Dienstleistungen.

Gründer:innen & Start-ups beim Hightech Transfertag

Tacalyx
therapeutics targeting cancer-specific carbohydrate antigens
on the surface of metastatic malignant tumors

PerioTrap Pharmaceuticals
hochspezifisch gegen Parodontitis

AniTech
innovatives, sensorgestütztes Frühwarnsystem für tierischen Stress

hyperSpecs
innovative Spektralkamera + Software + webbasierte Datenanalyse

Vlyfoods
Milchersatz aus Erbsenprotein

Aussteller beim 8. Hightech Transfertag

Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH
Detlef Hegemann Immobilien Management GmbH
DIN e.V.
Fa. Pohl + Jehne Zerspanungstechnik GmbH
Fraunhofer Leistungszentrum
glyconetBB e.V.
IHK Potsdam
Ingenieurbüro Botos
Landeshauptstadt Potsdam
Novartis Pharma GmbH
Photonic Insights
Potsdam Science Park
ProPotsdam GmbH
summit properties
Universität Potsdam | Potsdam Transfer
Wirtschaftsförderung Brandenburg | WFBB

Impressionen von HTT8

Fotos finden Sie in unserer Galerie auf Facebook

Über die Konferenz

Der Hightech Transfertag ist eine Veranstaltung der Standortmanagement Golm GmbH (co-finanziert durch die Europäische Union mit EFRE-Mitteln) in Zusammenarbeit mit Potsdam Transfer (Universität Potsdam) und in Kooperation mit: Wirtschaftsförderung Brandenburg | WFBB, Cluster HealthCapital Berlin-Brandenburg, IHK Potsdam und Land Brandenburg.

Foto: © Martin Jehnichen

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