Neue Therapien mit Nanomedizin

Die Rodos Biotarget entwickelt Nanotransporter: Sie sind winzig und mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen: Nanopartikel messen nur Millionstel Millimeter. Doch die Forschung verspricht sich viel von diesen kleinen Stoffen, die in der Natur vorkommen, aber auch synthetisch hergestellt werden können. Wissenschaftler können diese Partikel mit neuen Eigenschaften versehen und sie dadurch vielseitig einsetzen. Sie können etwa den Körper an bestimmten Stellen leichter durchdringen oder Wirkstoffe aufnehmen und an ausgewählte Zellen transportieren. Das Ziel der Nanomediziner ist es, besser verträgliche Therapien zu entwickeln und Krankheiten wirksamer zu bekämpfen.

Die Firma Rodos Biotarget produziert seit 2009 Nanomedizinpräparate und hat sich dabei vor allem auf Nanotransporter spezialisiert. Die Oberfläche ihrer Nanopartikel wird mit speziell hergestellten Molekülen ausgerüstet. Diese sind so ausgewählt, dass sie an Rezeptoren bestimmter Zelltypen des menschlichen Körpers andocken. In den Nanopartikeln ist werden Wirkstoffe verpackt, die so ganz gezielt dorthin gebracht werden können, wo sie ihre heilenden Wirkungen entfalten sollen.

Die Medizin bezeichnet dieses Konzept als gezielten Wirkstofftransport. Und dieser ist gleich aus mehreren Gründen vorteilhaft: Zum einen kann die Dosis des Medikaments verringert werden, da es gezielt nur dort ausgebracht wird, wo es wirken muss. Zum anderen kann der Wirkstoff Zellen versorgen, die auf herkömmlichem Wege nicht erreicht werden können, weil das Medikament vorher abgebaut werden würde. Schließlich sinkt das Risiko möglicher Nebenwirkungen, weil unbeteiligte Zellen gar nicht behandelt werden.

Bisher hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA über vierzig Nanomedizinpräparate zugelassen. Dennoch werden Nanomedizinpräparate bisher primär als Nischenanwendungen bei bestimmten Tumortherapien eingesetzt. „Wir sind im Begriff, dieses Konzept mit einem Spektrum verschiedener Nanotransporter auf weitere krankheitsrelevante Zellen zu übertragen“, erklärt Dr. Robert Gieseler-von der Crone, Wissenschaftlicher Leiter der Rodos Biotarget. Beispiele gibt es einige: Stoffwechselerkrankungen, Leberzirrhose, Fettleber oder Leberkrebs könnten durch den gezielten Wirkstofftransport in die spezialisierten Leberzellen behandelt werden. Auch Muskelzellen sind potenzielle Adressaten für neue Therapien, etwa gegen Muskelschwäche oder Muskelschwund.

Die größten Erfolge erzielt das Unternehmen bisher mit Transportern, die Zellen des menschlichen Immunsystems erreichen. Da das Immunsystem der natürliche Verbündete des Mediziners ist, erhoffen sich die Biotechnologen gerade von dieser Transporterversion entscheidende therapeutische Fortschritte und planen erste klinische Studien.

Neben ihrem Standort in Hannover bezieht die Firma nun einen zweiten Firmensitz im Potsdam Science Park, wo ein Therapieverfahren für eine ganze Gruppe entzündlicher Autoimmunerkrankungen entwickelt werden soll. Dafür wird die Rodos Biotarget einen Nanotransporter einsetzen, der mit den sogenannten Antigen-präsentierenden Zellen quasi die „Generäle des Immunsystems“ erreicht. Diese immunologischen Entscheider agieren bei solchen Erkrankungen fehlerhaft und weisen andere Immunzellen an, körpereigenes Gewebe anzugreifen. Autoimmunerkrankungen sind tatsächlich noch häufiger als Krebserkrankungen, sind immer chronischer Natur und können manchmal sogar tödlich enden.

In jüngerer Zeit haben Pharmaunternehmen mehrere hochpreisige Medikamente mit neuen Wirkstoffen entwickelt, die vielen Patienten mit immensem Leidensdruck bessere Therapieoptionen bieten. Doch sie sind nicht für alle Patienten geeignet oder nicht gut verträglich. Mit ihrem Therapiekonzept setzt die Rodos Biotarget in der Krankheitskaskade bereits deutlich früher als andere Behandlungen an und hofft damit auf Erfolg.

Im Potsdam Science Park ist die Firma gut aufgehoben, ist Geschäftsführer Dr. Marcus Furch überzeugt. Denn hier findet er nicht nur gut ausgebildete Nachwuchskräfte für sein interdisziplinäres Team, sondern mit den Forschern der Fraunhofer- und Max Planck-Institute auch mögliche Kooperationspartner.

Text: Heike Kampe/PNN

weitere Artikel in der PNN-Sonderbeilage zum Potsdam Science Park vom 21.09.2019