© Martin Jehnichen

Flexibler Start für Unternehmen am Rande der Hauptstadt

Coworking zwischen E-Health und Ultrazentrifungen im Startup Space des Potsdam Science Park: Die Mietkonditionen sind flexibel und mit 150 Euro im Monat überschaubar, die vier Arbeitsplätze sind funktional eingerichtet und auch das Türschild hängt bereits. Im Eingangsbereich steht ein Plakat mit den Terminen der Startup Academy für die Gründer hier am Standort. Ein Team, unter anderem mit Maciej Piwowarczyk vel Dabrowski und Anne Grohnert sind soeben mit ihrem Unternehmen eGeia GmbH, einem Spin-off der Fraunhofer Gesellschaft, in den Startup Space des GO:IN im Herzen des Potsdam Science Park eingezogen.

„Für Start-ups ist die Förderlandschaft in Brandenburg attraktiv,“ erläutert Piwowarczyk diesen Schritt, „hier besteht spürbar Interesse an der Ansiedelung und wir haben gute Beratung und viel Unterstützung von der hiesigen Wirtschaftsförderung erhalten. Außerdem freuen wir uns darüber, dass der Standort verkehrstechnisch gut angebunden ist.“

Rehaübungen mit dem digitalen Therapiebegleiter

Die Geschäftsidee für das telemedizinische Assistenzsystem MeineReha® entstand bei Fraunhofer FOKUS. 2018 erhielt das Team dafür eine Auszeichnung des BMWi beim Gründerwettbewerb – Digitale Innovationen. Im gleichen Zeitraum wurde eine klinische Studie mit der Uni Potsdam durchgeführt, die die Wirksamkeit des Systems belegt. Für die kommenden Monate haben die Gründer*innen sich viel vorgenommen: ab Ende 2020 soll das E-Health-Produkt als verschreibungspflichtige Rehabilitations- und Präventionsmaßnahme für den Gesundheitsmarkt zugelassen sein.

„Wir haben ein Reha-System für gezielte Bewegungstherapie realisiert. Patienten können damit stationär, ambulant aber auch zuhause Bewegungsübungen durchführen und erhalten individuelles Feedback. Das Besondere daran ist, dass wir Fernseher oder Handys als digitale Therapiebegleiter einsetzen. Dadurch sind wir im Vergleich zu gängigen Therapien vollkommen unabhängig von Öffnungszeiten, Terminen oder vom Wohnort der Patienten,“ erklärt Anne Grohnert. Das System verfügt aktuell über ca. 100 Übungen für Kardio-, Lenden- und Halswirbelsäulentraining sowie Programme Knie- und Hüftprobleme oder Gleichgewichtsstörungen. Die Bewegungsabläufe der Patienten werden mit 3D-Sensortechnik optisch erfasst und analysiert. Wenn die Balance wackelt, die Gelenke zu weit gebeugt werden oder eine Dehnung in einem falschen Winkel erfolgt, wird der Patient direkt vom System korrigiert.

Piwowarczyk, Grohnert und Team arbeiten gezielt an Lösungen für die Digitalisierung des Gesundheitssystems zum Vorteil von Patienten und Gesundheitspersonal. Auch deshalb, weil es in Deutschland insbesondere im Rehabilitationsbereich an Fachkräften fehlt. „Gerade in ländlichen Regionen wie Brandenburg können wir mit digitalen Produkten die Gesundheitsversorgung der Menschen verbessern und die überlasteten Praxen entlasten“, sagt Anne Grohnert, „Wir fokussieren uns darum mit der Digitalisierung von Therapieinhalten gleichzeitig stark auf die Optimierung von Prozessen im Gesundheitswesen.“ In den kommenden Monaten sucht das Start-up Business-Angels und Investoren für den Ausbau der Struktur. In Zusammenarbeit mit Kliniken und weiteren Technologiepartnern in der Region soll dann der Start erfolgen.

Nanolytics untersucht Biomoleküle und Nanopartikel

Im GO:IN Golm Innovationszentrum ist die Firma in guter Gesellschaft. Direkt gegenüber vom Startup Space liegen die Büros und Labore von Nanolytics. Geschäftsführer Dr. Kristian Schilling führt hier im Science Park seit 2006 mit einem kleinen Team aus Expert*innen Untersuchungen an Biomolekülen und Nanopartikeln für Kunden aus der pharmazeutischen und chemischen Industrie durch.

Das Unternehmen zog im Jahr 2006 nach Potsdam-Golm. „Wir hatten unsere Labore zuerst in einem Altbau in Dallgow-Döberitz,“ berichtet Schilling, „dort mussten wir in vielerlei Hinsicht improvisieren, um physikalisch-chemische Arbeiten in Räumlichkeiten durchzuführen, die dafür nicht konzipiert waren. So diente der fensterlose Tresorraum der ehemaligen Sparkasse als Dunkellabor für unsere Streumessungen. Im Jahr 2006 erfuhren wir dann vom Bau des GO:IN in Potsdam-Golm. Aufgrund der Laborinfrastruktur konnten wird die Räumlichkeiten hier mit geringsten Investitionen sofort nutzen.“

Was viele Menschen nicht wissen: In Medikamenten spielt neben der Chemie auch die physikalische Anordnung der Inhaltsstoffe eine wichtige Rolle. „Ob ein Molekül einzeln oder als „Doppelpack“ vorkommt, kann (zum Beispiel) für die Wirkung von Medikamenten einen himmelweiten Unterschied bedeuten. Pharmaunternehmen müssen darum sehr genau wissen, in welcher Form die Wirkstoffmoleküle vorliegen und wie sie dann in Medikamenten wirken,“ erläutert Schilling die Relevanz seiner Forschung.

So können Forscher zum Beispiel verhindern, dass Medikamente Allergien oder Abwehrreaktionen auslösen. Methode der Wahl für die Analyse der Wirkstoffmoleküle ist die Analytische Ultrazentrifugation. Die zu untersuchenden Flüssigkeiten werden in einer leistungsstarken Zentrifuge einer Rotation von bis zu 60000 Umdrehungen pro Minute und damit dem 250.000-fachen der Erdbeschleunigung ausgesetzt. Aufgrund der immensen Fliehkräfte trennen sich bei diesem Vorgang auch kleinste Moleküle und Partikel nach Größe, Form, Masse und Dichte, was dann mit optischen Systemen beobachtet wird. Innerhalb seiner Nische hat das Unternehmen inzwischen weltweit Bekanntheit erlangt und entwickelt darüber hinaus Messgeräte und Methodik erfolgreich weiter.

hier PNN-Sonderbeilage zum Potsdam Science Park vom 21.09.2019 herunterladen

Foto: Martin Jehnichen

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