Historisches Kleinod mit Zukunftsvision in Potsdam-Golm
Bricht man vom Potsdam Science Park mit dem Fahrrad auf nach „Alt-Golm“, kann man auf den Online-Kartendienst im Handy gut verzichten. 1000 Meter sind es bis zu den Kirchen in Golm – hier liegen zwei unterschiedliche Welten direkt nebeneinander. Die funktionalen modernen Forschungsgebäude und Baukräne im Science Park auf der einen Seite, daneben der alte Dorfkern, für dessen Erhalt und Substanz sich die Einwohner des Stadtteils Golm mit außergewöhnlichem bürgerschaftlichem Engagement einsetzen.
Ich schwinge mich aufs Rad und stehe drei Minuten später im rot geziegelten Eingang der Kaiser-Friedrich-Kirche. Umgeben von alten Bäumen steht sie auf einer Anhöhe und wirkt wie die große Schwester der Alten Dorfkirche Golm, die sich daneben eher unscheinbar an den alten Friedhofshügel duckt. Vor dem zweifarbigen Zierbogen zum Altarraum steht Bauingenieur Johannes Gräbner, der Vorsitzende des Kirchbauvereins Golm e.V. Er kann über beide Kirchen viel berichten. Heute koordiniert er einige Restaurierungsarbeiten. Verein und Gemeinde haben großes Interesse an der Erhaltung der historischen Bausubstanz für die Nachwelt. Er selbst hege ein besonderes Interesse an Räumen des respektvollen Umgangs, so Gräbner, hier vergriffen sich Menschen nicht so schnell im Ton wie im Alltag. Hinter ihm wird gerade am dreiteiligen Wandgemälde gearbeitet. Die „Hochzeit von Kana“ aus der Meisterklasse des Berliner Historienmalers Professor O. Knille leuchtet sanft in Pastelltönen. Durch die drei runden Fenster fällt Sonnenlicht auf den Altar.
Kronprinz Friedrich Wilhelm, später Kaiser Friedrich der III., und seine Gemahlin Victoria beauftragten den Bau der neueren Kirche direkt neben der Alten Dorfkirche vor 136 Jahren anlässlich ihrer silbernen Hochzeit. Am 9. September 1883 erfolgte die Grundsteinlegung und drei Jahre später die Einweihung im Sommer 1886. Vom historischen Datum zeugen heute noch die Jahreszahlen an den Wänden der herrschaftlichen Kaiserloge und an der Decke das Wappen der Hohenzollern. Das Kronprinzenpaar blickte von hier aus durch ein kleines Fenster auf die Gemeinde. Für das Volk war der Blick auf den Altar und die Malereien vorgesehen. 350 Menschen fanden damals im Kirchenschiff Platz, obwohl die Gemeinde deutlich kleiner war.
Der schmiedeeiserne Kronleuchter mit Messingbesätzen hängt überraschend tief im Kirchenschiff, was daran liegt, dass gerade an ihm gearbeitet wird. Mit finanzieller Unterstützung durch Kaiser Wilhelm II. konnte die Gemeinde den Lüster vor 131 Jahren im Jahr 1888 anschaffen. Heute polieren die Mitglieder des Kirchbauvereins und Golmer Bürger das Messing in aufwendiger Handarbeit, angeleitet von Experten. Gerade wurden alle Einzelteile wieder zusammengesetzt, akribisch dokumentiert und mit dem gemeinsamen Willen der freiwilligen Helfer, diesen Ort zu erhalten. Unter den ehemals 40 Kerzen leuchten heute auch einige LEDs. Die mit Bedacht installierte Beleuchtung im Kirchenschiff hebt das Ziegelgewölbe und die Empore hervor und rückt die Ausstellung lokaler Künstler in das richtige Licht.
Die kleinere Kirche nebenan ist viel älter
Die Alte Dorfkirche Golm nebenan ist eines der ältesten Bauwerke der Region. Die Datierung hiesiger Funde belegt eine erste Besiedelung im 8. und 9. Jahrhundert, der Ort Golm findet 1289 erstmals urkundliche Erwähnung. Die Wahl des Ortes ist auf die Lage auf dem Hügel zurückzuführen, geschützt vor dem Hochwasser der dahinter verlaufenden Havel. Zunächst stand hier vermutlich eine Holzkirche. Die ersten Mauern der heutigen Alten Kirche Golm ließ Margarethe von der Groeben im Jahr 1449 anlässlich der Beisetzung ihres Gemahls Claus von Schönow errichten. Spätere Generationen der Gemeinde veranlassten zwei weitere Bauabschnitte. So entstanden um 1680 die Wände des Kirchenschiffs, im Jahr 1780 folgte der dritte Bauabschnitt mit der Erweiterung um den Kirchturm.
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und hat die Sanierung dringend nötig. Besonders deutlich wird das an den sich alarmierend neigenden Seitenwänden, von denen der Putz in großen Stücken bröckelt. Einige Teile, wie die Holzdecke über dem Altar wurden bereits erneuert, aber es ist viel zu tun. Unter anderem soll die Kassettenbemalung der Decke neu zum Vorschein kommen und der ursprüngliche Seiteneingang zum Kirchenschiff wieder geöffnet werden.
Dem Erhalt der beiden Kirchen für die Nachwelt widmet sich der im Jahr 2002 von neun Bürgern des Stadtteils gegründete Kirchbauverein Golm, der durch Führungen, Ausstellungen und Konzerte kleinere Einnahmen erzielt. Wie an anderen historischen Orten kommt es jedoch auch hier darauf an, UnterstützerInnen für die Finanzierung der denkmalgerechten Instandhaltung zu finden. Spenden sind willkommen und kämen dann auch unmittelbar dem Vorhaben zu Gute. In absehbarer Zeit soll dann in der Alten Dorfkirche Golm ein großer Veranstaltungsraum für Bürger entstehen, die miteinander in den alten Mauern Neues schaffen möchten. Der Kirchbauverein und der hiesige Gemeindekirchenrat haben dazu die Vision entwickelt, das Gebäude in die gemeinsame Trägerschaft der Nutzerinnen zu überführen. Veranstalter von Kultur- und Bildungsprogrammen, Seminaren oder Kammerkonzerten tragen dann die geteilte Verantwortung für dieses Kleinod.
Die beiden Kirchen in Golm stehen von Pfingsten bis Anfang September am Sonntagnachmittag für Besucher offen, der Kirchbauverein bietet Kaffee und Kuchen für Ausflügler und BürgerInnen. Wer sonntags nach einem Ausflugsziel in Potsdam sucht, nimmt sein Fahrrad mit in die Potsdamer Innenstadt und radelt vom Luisenplatz durch den Park Sanssouci, um das Neue Palais herum und die Lindenallee entlang. Ab Kuhforter Damm führt der Radweg „Am Urnenfeld“ dann zur Reiherbergstraße und zu den beiden Kirchen auf dem Hügel in der Geiselbergstraße. Auch mit dem Bus ist die Anfahrt leicht: Vom Potsdamer Hauptbahnhof fährt die Linie 606 direkt bis zur Haltestelle Alt-Golm in der Geiselbergstraße.
Foto: J. Gräbner, Kirchbauverein Golm e. V.
hier PNN-Sonderbeilage zum Potsdam Science Park vom 21.09.2019 herunterladen
Karen Esser
Referentin PR & Kommunikation
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