Kontraste und Gemeinsamkeiten

Das Herz des Potsdam Science Park ist noch eine große Baustelle. Derzeit zeugen Kräne und Baugruben davon, dass hier, zwischen dem Campus der Universität Potsdam und dem Fraunhofer-Campus, in den kommenden Monaten und Jahren viel entstehen soll. Schon jetzt wachsen ein großes Labor- und Bürogebäude und das zweite Gründer- und Innovationszentrum GO:IN in die Höhe. Die „Neue Golmer Mitte“ soll aber weitaus mehr sein als ein weiterer Ort für Labor- und Bürogebäude, in denen die Wissenschaft zuhause ist. Auf dem vier Hektar großen Areal sollen Räume und Plätze entstehen, die Golm als lebendigen Ortsteil prägen.

Diese Aufgabe ist herausfordernd. Bis auf einige Veranstaltungen und Angebote für interessierte Bürger gibt es im Alltag bisher noch nicht allzu viele Berührungspunkte zwischen den einzelnen Institutscampussen und der hier ansässigen Bevölkerung. Potsdams Stadtverwaltung und das Standortmanagement des Science Parks arbeiten eng zusammen, um die Vision einer gemeinsamen Mitte, die eine Brücke zwischen den eher ländlich geprägten Wohngebieten und den internationalen Forschungsstandorten spannt, zu verwirklichen.

„In den letzten Jahren haben wir viele Probleme im Einzelnen diskutiert, jedoch fachübergreifende und integrierte Lösungen nicht aktiv initiiert“, räumt Bernd Rubelt, Potsdams Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen Wirtschaft und Umwelt, ein. Natürlich werfe das enorme Wachstum des Parks Fragen bei den hier lebenden Menschen auf und wecke auch Ängste. Wie wird der zunehmende Verkehr geregelt? Wie passen die neu entstehenden Gebäude ins Ortsbild? Leidet die Lebensqualität, weil Wiesen und Felder den Instituten weichen müssen?

Auf der Suche nach einer gemeinsamen Basis führte die Stadt eine ganze Reihe von Gesprächen mit dem Ortsbeirat, der Bevölkerung und den Akteuren des Science Parks. Dabei sei immer wieder deutlich geworden: Bewohner, Arbeitskräfte und Wissenschaftler haben einen gemeinsamen Wunsch: Golm soll ein attraktives Zentrum erhalten. „Die Golmer Bevölkerung hat eine große Akzeptanz und Offenheit für die Entwicklung des Wissenschaftsparks“, betont Toralf Schirmag, der verantwortliche Projektmanager der Potsdamer Wirtschaftsförderung. Gleichzeitig wünschten sich die Bewohner, die Identität des Ortsteils zu erhalten. Die neue Mitte, die nun entstehen soll, sei Ergebnis des Diskussionsprozesses, an dem sich alle Partner beteiligt haben. Und noch immer wird miteinander geredet, der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

Wie könnte sie also aussehen, die einladende Mitte, die die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse anspricht? Kleine Geschäfte, ein übersichtliches Wegenetz, Freizeiteinrichtungen, Cafés und Kneipen – das sind die Zutaten, die wohl jedem Quartier einen wohnlichen Anstrich geben. In Golm wird es aber auch in den wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmenssitzen Räume der Begegnung geben. Die neuen Grundstückseigentümer öffnen sich bewusst für die Öffentlichkeit, bieten in ihren Erdgeschossen Kantinen und Cafés und auch Räumlichkeiten, die etwa von Vereinen oder Seniorentreffs genutzt werden könnten.

Ein verbesserter ÖPNV – ein „Dauerbrenner“, wie Rubelt sagt – steht ebenfalls ganz oben auf der Wunschliste der Anwohner. Doch damit allein ist es nicht getan. Für den gesamten Standort setzt die Stadt auf ein neues Mobilitätskonzept. „Unser Wachstum wird vom Umweltverbund getragen“, erklärt Rubelt. Das, was an zusätzlichem Verkehr in Golm durch die täglichen Wege der hier Arbeitenden und Studierenden entsteht, soll durch andere Verkehrsmittel als das private Auto abgedeckt werden. Über die Schiene ist der Standort bereits sehr gut mit Berlin und dem Zentrum Potsdams verknüpft. Die Kapazitäten müssen aber ausgebaut werden, fordert die Stadt. Auch Carsharing und ein dichtes Radwegenetz – mit einer durchgängigen Anbindung zum Neuen Palais – gehören zu den Plänen, die einen Umstieg auf Alternativen zum Auto erleichtern sollen.

Natürlich ist auch der Wohnraum ein Thema. Denn Potsdam wächst schneller als noch vor wenigen Jahren erwartet. Der Wohnraum ist knapp, die Mieten schießen in die Höhe. Auch Studierende haben Mühe, in der Landeshauptstadt eine bezahlbare Bleibe zu finden. Angesichts der erwarteten 3.000 zusätzlichen Studierenden an der Uni Potsdam besteht dringender Handlungsbedarf. Neuer Wohnraum entsteht deshalb auch im Science Park.

Nun gilt es, die Pläne umzusetzen und an einigen Stellen nachzusteuern. Denn das Wachstums des Standortsgestaltet sich deutlich dynamischer, als erwartet. Schon heute sucht die Stadt nach Möglichkeiten, dem Wissenschaftspark über die bisher gesetzten Grenzen hinaus neue Räume zu eröffnen. In den dazu laufenden vorbereitenden Untersuchungen stehen 60 Hektar nördlich des Parks im Blick der Planer. Nicht alles davon ist bebaubar, stellt Rubelt klar. Die Pläne sind langfristig ausgelegt, frühestens in zehn Jahren sind hier konkrete Entwicklungen zu erwarten. Die umgebende Landschaft und die Strukturen des Science Parks sollen hier behutsam miteinander verbunden werden. Nicht umsonst ist Golm im neuen integrierten Stadtentwicklungskonzept 2035 als Vertiefungsbereich definiert – hier erwartet die Stadt eine besondere Entwicklungsdynamik und reichlich Planungsbedarf.

Auf dem Weg zu einer „Neuen Golmer Mitte“ sind erste und wichtige Schritte bereits unternommen, zahlreiche weitere müssen aber noch folgen. Das Ziel aber ist für den Baubeigeordneten Rubelt klar: „Wir wollen und werden hier in den nächsten Jahren gemeinsam mit den Akteuren vor Ort ein lebendiges Zentrum mit vielfältigen Nutzungen und Angeboten entwickeln, einen Ort der Begegnung und des Austausches. Im Kern geht es um nichts geringeres, als den bisherigen Ortsteil zu einem integrierten und urbanen Stadtquartier weiter zu entwickeln.“

Text: Heike Kampe/PNN | Foto: Airvideo (StaGo)

hier PNN-Sonderbeilage zum Potsdam Science Park vom 21.09.2019 herunterladen

  • Teilen auf: